Presse |
Express vom 17. April 2001
http://www.express.de/news/1611097.html
Er kostete 40 Milliarden Mark - jetzt wird er verschrottet
Warteraum für den Weltuntergang
Von TIM PRÖSE
Zwischen Bäumen und Weinbergen bestens verborgen: Der Einstieg des einstigen Regierungsbunkers im Ahrtal bei Bonn. Foto: Reuters |
Hier sollten 3000 Deutsche den Atomschlag überleben. Die „wichtigsten“ 3000: Politiker, Soldaten, Finanzexperten. Sie würden sauberes Wasser trinken, unverseuchte Bundeswehrverpflegung essen, gefilterte Luft atmen.
110 Meter tief unter der Oberfläche sollten sie in Sicherheit sein. Und das regieren, was über ihnen längst im atomaren Chaos vergangen wäre - verstrahlt, zerbombt, pulverisiert. 30 Tage lang - bis die Vorräte endeten.
30 Jahre haben wir nichts geahnt von der „Dienststelle Marienthal“. Der größte Atombunker der Welt (tief unter den Weinbergen des Ahrtals in der Eifel) war zugleich das größte Geheimnis der Regierenden.
Niemand durfte etwas von dem Gebäude erfahren, das im Amtsdeutsch „Ausweichsitz der Verfassungsorgane des Bundes“ genannt wird - und in den hallenden Bunkerkorridoren zynisch „Gasthaus zum letzten Stündchen“.
Dienststelle Marienthal - ein Relikt des Kalten Krieges. Aus einer Zeit, als Bundeswehrstrategen noch rechneten: Wie lange dauert es, bis Pershing- oder SS- 20-Raketen auf deutschen Boden einschlagen.
Heute, mehr als ein Jahrzehnt nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, sollen die 897 Büros und 939 Schlafzimmer, insgesamt 83 000 Quadratmeter Nutzfläche, wieder an die Eifel zurückgegeben werden. Die Überflutung des Areals ist beschlossene Sache. Und jetzt durften erstmals auch Journalisten einen Blick in das Geheimversteck werfen.
Hier sollte der Bundeskanzler im Ernstfall schlafen: Eine sieben Quadratmeter kleine Zelle, mit Pritsche, Stuhl und Tisch. Foto: reuters |
Zuvor hatten nur wenige Zutritt bekommen. Was sie sahen, ist eine perfekt organisierte Stadt (Baukosten damals: 40 Milliarden Mark) unter der Erde. Genutzt wurde sie niemals wirklich.
Zwar rückten in früheren Jahren alle zwei Monate Militärs, Abgeordnete und Staatssekretäre in den Bunker ein - Generalprobe für den Notstand. Doch nach zwei Wochen erloschen die Lichter wieder. Das muffig-kalte Dunkel (es riecht wie in U-Bahn-Schächten) hatte den Bunker zurück.
Das Bett des Kanzlers, eine 80 Zentimeter breite Pritsche aus Bundeswehrbeständen (die Matratze fehlt), ist nie benutzt worden. Es steht seit 30 Jahren in dieser sieben Quadratmeter messenden natogrünen Einzelzelle.
Daneben ein Tisch aus Vierkantrohr, ein Telefon und ein Plastikkorb für die Rohrpost. Luxus wurde nur dem Bundespräsidenten im Raum nebenan gestattet: er sollte sich in einer Zinkbadewanne erholen, auf einer himbeerfarbenen Sitzgarnitur mit seinem Stab reden können.
Die anderen „wichtigsten“ Deutschen mussten auf separate Nasszellen verzichten. Die Ausstatter „schenkten“ ihnen nur Bilder mit Meeres-Horizonten oder Bergpanoramen - Weitsicht für die Eingesperrten.
Der Herr der endlosen Gänge: Paul Groß. 30 Jahre war er der technische Leiter der Dienststelle Marienthal. Bald schon wird er für die Überflutung des größten Atombunkers der Welt sorgen. Foto: dpa |
Der Letzte macht die Tür zu - Paul Groß wird diese zweifelhafte Ehre in wenigen Wochen übernehmen. Auf seinen Knopfdruck hin wird sich die 25 Tonnen schwere Beton- und Stahlschleuse ein letztes Mal vakuumdicht ins Schloss saugen.
Groß ist der technische Leiter der Dienststelle, seit drei Jahrzehnten für den reibungslosen Ablauf im Bunker zuständig. Ein Herr der Gänge - die 19 Kilometer langen Verbindungswege kennt er wie seine Westentasche.
Doch weniger die Verantwortung für den Bunker, als die Sorge um seine Frau und seinen Sohn haben die Falten in sein Gesicht getrieben. „Das Schlimmste am Ernstfall wäre gewesen, dass ich meine Familie hätte draußen lassen müssen.“
Denn weder Gattin Regina noch Filius Christoph wussten, was der Papa all die Jahre über getan hat. Paul Groß war zu absoluter Verschwiegenheit verdammt - genau wie jeder Handwerker, der auch nur eine Glühbirne in „Marienthal“ auswechselte.
Das Schweigen endete am 8. Dezember 1997. Der Bundestag gab die Existenz der „Dienststelle Marienthal“ bekannt - und die baldige Schließung. Seitdem wurde immer wieder versucht, den Bunker zu verkaufen.
Vergeblich. Weder Erlebnispark noch Zuchtgelände für Champignons werden entstehen. Das Areal ist schlicht zu teuer. So werden neben dem Wasser bald die letzten Mieter kommen: Ratten und Mäuse.
http://www.expres.de/bonn/1450817.html
Bunker: Hier saß Willy neben Walter
von Elisabeth E. Edinger
Man stelle es sich vor: Im Jahr 1972 tritt der atomare
Ernstfall ein. Vor Angst und Panik stürzen die Bonner in
die Keller. Dann fällt die Bombe. Und im 25 Kilometer
entfernten Marienthal beschwert sich Außenminister
Walter Scheel bei Bundeskanzler Willy Brandt, dass er
nicht schlafen kann - weil Innenminister Hans-Dietrich
Genscher schnarcht.
So hätte es sein können, in der „Dienststelle Marienthal“.
Der Atombunker, dessen Bau (1960 bis 1972) satte drei
Milliarden Mark verschlungen hat. Tatsächlich hat niemals
ein amtierender Kanzler auch nur reingeschaut - dafür aber
der Fotograf Andreas Magdanz.
Seine Foto- und Videodokumentation wird ab morgen bis
zum 22. April erstmals in der „Alten Rotation“ gezeigt.
Dazu Originalexponate, wie die Plenarsaal-Bestuhlung und
die Couchgarnitur aus dem Präsidialamt. „Der Atombunker
war wie eine kleine Stadt“, so Dr. Christoph Schaden,
Kurator der Ausstellung. 19 Meter lang, 25.000 Türen.
Eine davon führte zum Zimmer des Bundeskanzlers. Im
Ernstfall hätten er und der Bundespräsident übrigens als
einzige alleine schlafen dürfen.
Gute Nacht, Bonn!
Was wird aus dem ehemaligen Provisorium?
von Ursula Katthöfer
"Wir lassen am Rhein keine Ruinen zurück" - das hat
Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl den Bonner fest
versprochen. Was aber dann?? Was wird aus dem für
teures Geld neu erbauten Plenarsaal? Welche Verwendung
findet man für das Gästehaus auf dem Petersberg und all'
die anderen, bald leerstehenden Gebäude?
Die Ideen sind zahlreich: Der Plenarsaal beispielsweise,
Tagungsort für Karnickelzüchter, UNO-Organisationen und
Ärzte-Kongresse. Oder vielleicht doch als Museum?
Schwieriger wirds mit dem Petersberg. Weder Hotelketten
noch Privatiers interessieren sich bislang dafür: zu groß,
zu teuer. Das gleiche Ladenhüter-Problem hat die neue
Bundesregierung mit dem Atombunker im Ahrtal.
Bonner Immobilien, die keiner haben will - Fragen dazu an
Bärbel Diekmann, SPD, Oberbürgermeisterin von Bonn.
TAZ - Die Tageszeitung, Berlin 03.03.2001
03.03.2001
Hotel Deutschland, Kanzlersuite
Während des Kalten Krieges wurde bei Bonn ein Atombunker für die Bundesregierung eingerichtet, der jetzt "zurückgebaut und verschlossen" werden soll. Andreas Magdanz hat die "Dienststelle Marienthal" auf Fotos und Videofilm dokumentiert
von RENATE PUVOGEL
Buchstäblich kurz vor Torschluss hat Andreas Magdanz, Fotograf aus Aachen, mit einer aufwendigen Aktion ein Zeugnis westdeutscher Nachkriegsarchitektur und -geschichte dokumentiert. Es handelt sich um die "Dienststelle Marienthal", eine gigantische unterirdische Bunkeranlage, 20 km südlich der ehemaligen Bundeshauptstadt Bonn, im idyllischen Ahrtal. Dieser "Ausweichsitz der Verfassungsorgane des Bundes" sollte während des Kalten Krieges, wie es offiziell heißt, im Ernstfall "die Handlungsfähigkeit der Staatsspitze gewährleisten".Der Bunker wurde zwischen 1960 und 1971 gebaut, um "allen Verfassungsorganen des Bundes im Krisen- oder Verteidigungsfall als gemeinsame Notunterkunft zu dienen". 3.000 Regierungsbeamte und Abgeordnete hätten die zweischneidige Chance gehabt, 30 Tage in totaler Abgeschiedenheit zu überleben, um aus ihrer Maulwurfperspektive ein Volk zu regieren, das im Falle eines atomaren Angriffs möglicherweise überhaupt nicht mehr existierte.
Diese politisch fragwürdige und militärisch längst überholte Anlage hat nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und dem Umzug der Regierung nach Berlin nun gänzlich ihre Berechtigung verloren. Deshalb soll sie nach vergeblicher Suche anderer Nutzungsmöglichkeiten "zurückgebaut und verschlossen" werden, zu dem erklecklichen Finanzaufwand von 60 Millionen Mark. Wäre Magdanz nicht auf eine Anzeige im Handelsblatt aufmerksam geworden und hätte er sich nicht, inspiriert durch Paul Virilios "Bunker Archäologie", vom Innenministerium die Genehmigung zur fotografischen Dokumentation eingeholt - das absurde Bauwerk wäre ebenso klammheimlich ausgelöscht worden, wie es einst geplant, gebaut und jahrzehntelang unterhalten wurde.
Deutsche Perfektion
Lage und Grundriss basieren auf einer 4 Kilometer langen Tunnelröhre als Teil einer Eisenbahnlinie, deren Bau 1910 aus strategischen Gründen in Richtung Frankreich, den einstigen "Erbfeind", begann, mit Ende des Ersten Weltkrieges aber zum Erliegen kam. Selbtsredend wurde der Tunnel von den Franzosen geschleift, doch dann wieder hergestellt und gegen Ende des Zweiten Weltkriegs zur Montage von V1- und V2-Raketen genutzt. Als die Bundesrepublik der Nato beitrat, entsann man sich des Tunnels und sah in ihm die Basis eines durch das Schiefergestein hervorragend geschützten Notbunkers für die Regierung.Bei der "Dienststelle Marienthal", intern noch harmloser bzw. zynischer "Rosengarten" genannt, geht es um das europa-, wenn nicht weltweit umfangreichste Baugebilde. Von Architektur kann man nicht sprechen, denn es existieren nur zweckdienliche Innenräume, während sich die Außenhaut in Gestalt friedlicher Weinberge tarnt. Dementsprechend waren auch nicht Architekten, sondern Ingenieure am Werk, um die monströse Anlage mit deutscher Perfektion zu errichten. Auf einer Fläche von etwa 83.000 Quadratkilometern und einer Ganglänge von immerhin 19 Kilometer wurden in dem durch die Talsenke geteilten Bauwerk fünf selbstständig funktionierende Einheiten doppelgeschossig angelegt. 936 spartanisch eingerichtete Schlafzimmer, 897 Büro- und Konferenzräume, fünf Kommandozentralen, ebenso viele Großküchen, Waschräume und Frisiersalons, klinische Stationen samt Operationssälen sollten die notwendige Grundversorgung der ausersehenen Regierungsmitglieder sicherstellen. Bezeichnenderweise fehlt eine Bibliothek. Hingegen sind die geradezu erschlagenden Anlagen der Frisch- und Abwasserkanäle, der Belüftungs- und Beleuchtungssysteme dem Bauvolumen zuzurechnen. Man bedenke, dass der Steuerzahler für dieses "Exklusivhotel" mittlerweile rund 3 Milliarden Mark berappen musste.
Der Marienthaler Bunker entzieht sich, wo immer man sich aufhält, gänzlich der Überschaubarkeit, man ist orientierungslos. Dass die kafkaeske Situation trotz der 38 Verbindungen zur Außenwelt klaustrophobische Ängste hervorgerufen hat, bezeugen noch heute traumatisierte Arbeiter des ständig anwesenden 180 Mann starken Wartungspersonals - das gesamte Unternehmen war eine Männerdomäne. Die beamteten Techniker und Angestellte waren zu strengster Geheimhaltung angehalten, genau wie jene Soldaten, die im Bunker einen dreiwöchigen Übungsdienst absolvierten, und wie die jährliche Abordnung von Regierungsmitgliedern.
Andreas Magdanz entreißt nun dieses politisch, militärisch und architektonisch absurde Monstrum gerade noch rechtzeitig dem stillschweigenden Verschwinden. Mit großem persönlichen Einsatz hat der 1963 in Mönchengladbach geborene Fotograf in den Jahren 1989 und 1990 sieben Monate lang den östlichen Trakt systematisch erforscht und mit der Großbildkamera markante wie belanglose Details in 1.000 Fotos, vorwiegend schwarzweiß, festgehalten. Hundert Fotos sind inzwischen zu einer stattlichen "Gebäudemonographie" zusammengestellt und diese im Eigenverlag herausgebracht . Der vormalige Staatsminister Michael Naumann lehnte jegliche Förderung des Projektes als "nicht von bundespolitischer Bedeutung" ab. Gleich seinen Politikerkollegen übersieht auch er, dass sich hier ein Künstler dagegen wehrt, wie wieder einmal ein Stück bundesrepublikanischer Geschichte ohne öffentliche Diskussion vernichtet wird. Nicht nur die Fotos sollten von der Bundesrepublik angekauft werden, sondern es wäre nötig, wenigstens einen Teil der Anlage als authentisches museales Anschauungsobjekt zu erhalten - mit welchem Recht empören wir uns sonst über die verbrecherischen Zerstörungen von Kulturgut durch die Taliban, wenn wir uns der Denkmäler der eigenen Geschichte berauben? Undenkbar, dass irgendwann einmal Archäologen den Bunker als einen Fremdling innerhalb des deutschen Gebietes ausgraben werden, bevölkert von Menschen in Gestalt des "Gasmaskenprüfgerätes".
Rosarote Bestuhlung
Magdanz hat den prachtvollen querformatigen Bildband mangels eines herausragenden Baudetails mit einem orangefarbenen Umschlag umgeben, den ein Bomber symbolisch mittig "überfliegt" und zwar sinnfälligerweise feindorientiert, von Ost nach West. Das Logo entstammt einem der zahllosen Magnetsticker, die Magdanz im Innenleben eines Schrankes des militärischen Lagezentrums fand, das er erstaunlicherweise fotografieren durfte. Wenn man sich die unglaubliche Menge militärischer Symbole auf diesen Stickern anschaut, wie etwa "Überwasserstreitkräfte", "Sperrflug", "Abschirmung" oder "Verluste", die zahlreichen Ortsnamen und kryptischen Zeichen oder die politischen Landkarten aus den 60er/70er-Jahren, bekommt man eine Vorstellung von dem lächerlich anmutenden Irrsinn dieser militärischen Sandkastenspiele im Verhältnis zu einer seinerzeit tatsächlich denkbaren atomaren Weltkatastrophe.Die Fotografien illustrieren den Weg, den ein Besucher innerhalb der östlichen Anlage von Ost-West nach Ost-Ost durchwandert; sie beginnen mit einem ebenerdig gelegenen Eingangstor, das unwillkürlich die Erinnerung an die Wachtürme der DDR wachruft. Diesem Foto folgt unmittelbar eine Abbildung von einer der Schaltzentralen, und diese wird wiederum abgelöst von einer Darstellung eines der schweren Eingangstore. So wird der Betrachter vom Fotografen von Beginn an in die Ambivalenz des gleichermaßen faszinierenden wie Grauen erregenden Konstrukts in seiner penibel durchdachten und dabei so abstrusen Planung verwickelt.
Der rein dokumentierende Bildband zeigt auch die bildnerischen und dramaturgischen Fähigkeiten des versierten Fotografen, der an der Fachhochschule Aachen bei Wilhelm Schürmann studiert hat. Um etwa die Aufmerksamkeit des Beschauers wach zu halten, streut er zwischen die Schwarzweißaufnahmen in ihrer wirklichkeitsgetreu bleiernen Ausleuchtung einige farbige Bilder. Sie setzen eine Zäsur zwischen einzelne Kapitel und fangen zudem die einheitlich festgefrorene Ästhetik der 70er-Jahre ein. So führt er etwa die rosarote Bestuhlung des Konferenzraumes vor, den orangefarbene Lampen ins Licht setzen, oder an anderer Stelle den Frisiersalon mit seinen blauviolett bezogenen Stühlen. Diesem Interieur gegenüber hat man beim Anblick des durch die Glasscheibe fotografierten Waschraumes unwillkürlich die perfiden Reinigungsmethoden in Konzentrationslagern vor Augen. Magdanz hat das zur Zeit des Fototermins leider schon reichlich dezimierte bewegliche Inventar gänzlich unberührt belassen, wodurch klinisch sterile Räume neben stilllebenartigen Situationen mit unachtsam vergessenem Werkzeug zu stehen kommen. Seiner Strategie gemäß hat Magdanz nichts manipuliert oder zugespitzt. Statt dessen schieben sich die nahen, bedrohlichen Ansichten der übermächtigen Technik bei aller Sachlichkeit dramatisch zwischen die vielfach zentralperspektivisch aufgenommene Berichterstattung.
Was die Fotografien nicht zu leisten vermögen, veranschaulicht unterstützend ein einstündiger Videofilm. In mehrteiligen Sequenzen schleust er den Betrachter durch die endlosen kathedralenhohen Gänge und kanalrunden Röhren und vermittelt durch die monotone Bewegung ein Gefühl des Schwindels, als würde sich ein gewalttätiger Schlund öffnen, natürlich weniger abstrakt als das "Kanalvideo" von Fischli/Weiss. Begleitet wird die nervzehrende Bewegung durch zermürbend hallende, dumpfe oder zischende Geräusche, ausgelöst vom langsamen Zufallen tonnenschwerer Türen oder von der latenten Belüftung.
Graue Telefonapparate
Diesen Videofilm kann man derzeit in einer Ausstellung in der "Alten Rotation" in Bonn anschauen. Das Interimsquartier des Rheinischen Landesmuseums gibt einen eindrucksvollen, wenn auch minimalen Einblick in das gesamte Unterfangen von Andreas Magdanz. Zwischen wenigen hochgezogenen Fotografien sind originale Gegenstände aus dem Bunker ausgestellt, so etwa ein Transportwagen, vollgeladen mit postgrauen Telefonapparaten, sowie ein Elektrowagen und auch die erwähnte anheimelnde Sitzgarnitur. So einprägsam diese realen Requisiten sind, sie können, aus dem Kontext genommen, nicht jene atmosphärische Wirkung erzielen, die von Fotos und Video ausgeht, ganz zu schweigen von jener eines Besuches unter Tage.Gefragt nach seinen zukünftigen Plänen, erklärt Andreas Magdanz, dass er sich nach den beiden auch psychisch strapaziösen Projekten "Garzweiler" und "Dienststelle Marienthal" vorerst Themen widmen wolle, die nicht wieder ein dem Untergang geweihtes Problemfeld ins Visier nehmen. Dabei hat er wohl auch im Bewusstsein, dass das Fotografieren - Aktualität hin, Dokumentation her - immer mit dem Einfrieren eines Ist-Zustandes und letztendlich mit dem Tod zu tun hat.
Bis 22. 4., "Alte Rotation", Bonn. Das Buch "Dienststelle Marienthal - Eine Gebäudemonographie" ist im Eigenverlag erschienen (198 DM).
Rhein-Ahr-Rundschau
März 2001
http://www.oberbergische-volkszeitung.de/rhein-ahr/921611.html
Andreas Magdanz stellte seinen Bildband zum Bunker Marienthal vor
Die Erkundung einer unterirdischen Welt
Von Udo Konz
Marienthal. Ein Denkmal in Form eines anspruchsvollen Bildbandes hat der Aachener Berufsfotograf Andreas Magdanz dem ehemaligen Regierungsbunker in Marienthal gesetzt. Im früheren Kabinettsaal der unterirdischen Anlage stellte Magdanz gestern sein Werk "Dienststelle Marienthal" vor.
Ein Zeitungsbericht hatte Magdanz auf das Relikt des Kalten Krieges aufmerksam gemacht. Aus anfänglichem Interesse wurde eine Art Leidenschaft für die weit verzweigte Gegenwelt unter Tage, die 3000 Politikern das Überleben gesichert hätte. Der Aachener hat die Atmosphäre der Hohlräume unter den Weinbergen förmlich in sich aufgesogen, in langen Erkundungen 1000 Fotos geschossen, obwohl er eigentlich sparsam mit Negativen umgeht. Dabei ist er in Räume vorgestoßen, die selbst langjährige Mitarbeiter noch nicht betreten hatten. "Das war ein Riesenabenteuer", fasst Magdanz seine Eindrücke zusammen.
Ein fast melancholisches Verhältnis entwickelte er zum "Interieur der 50er und 60er Jahre", Mobiliar aus vergangenen Tagen, das bis in die letzten Tage der offiziellen Nutzung erhalten blieb. Das "wenig Modernistische" hat ihn fasziniert, erneuert wurden im Laufe der Jahrzehnte nur die technischen Anlagen. Sehr beeindruckt hat Magdanz auch die Stille, die ihn an eine Kirche oder ein Kloster erinnerte.
Die unterirdische Welt, so wie er sie empfunden hat, vermittelt der Aachener fast nur über das Medium Foto. 100 Fotos stehen lediglich drei Seiten Text gegenüber. Anfragen an drei Spitzenpolitiker wegen eines Begleittextes waren nicht von Erfolg beschieden. Einer von ihnen bestritt, jemals im Bunker gewesen zu sein. Enttäuschend empfand es der Aachener, dass er bei seinen Recherchen im Bunker auf ein Foto stieß, auf dem jener Politiker zu sehen war . . .
Ist der Verzicht auf Text, die fehlende Auseinandersetzung mit der Idee, nur einer ausgesuchten Elite das Überleben zu ermöglichen, eine zu unkritische Annäherung an das Thema? Das wurde in dem Pressegespräch bestritten. Eine differenzierte Betrachtung sei durch die "kritische Anordnung der Fotos" gegeben. Die Bedrohung, der die Welt ausgesetzt ist, symbolisiert der Deckel des Bildbandes, auf dem die Umrisse eines B-52-Bombers dargestellt sind.
Andreas Magdanz ist Verleger, Autor und Fotograf in einer Person. Seine Versuche, einen Verleger zu finden, scheiterten. Weil ihn das Thema Bunker so eingefangen hatte, ging er ein größeres finanzielles Risiko ein. Die erste Auflage umfasst 1500 Bände, der Preis liegt knapp unter 200 Mark. Im Oktober wird Magdanz mit einem eigenen Stand auf der Frankfurter Buchmesse vertreten sein und seinen Band vorstellen.
Dass der Bunker für immer verschwinden wird - in etwa einem Jahr beginnt der "Rückbau", der vier bis fünf Jahre dauern wird -, stimmt den Autor traurig: "Man hätte die Anlage wenigstens in Teilen erhalten sollen, aber der politische Wille hat gefehlt". Magdanz sieht eine Chance vertan: "Die kulturhistorische Bedeutung der Anlage wird unterschätzt".
Bonner Illustrierte
02 2001
http://www.bonner-illu.de/navigation/index_bonnnews.html
Es war ein Mysterium, ein lange gehütetes Geheimnis, ein gewaltiges Monument des Kalten
Krieges mitten im Ahrtal. Der Regierungsbunker – ein Bauwerk, das bis vor kurzem niemand
gesehen haben durfte, über das rigoros der Mantel des Schweigens gelegt wurde. Im
kommenden Herbst beginnt der sogenannte Rückbau des „Ausweichsitzes der
Verfassungsorgane des Bundes”, denn 28 Jahre nach seiner Fertigstellung wird der Bunker
geschlossen.
Von Christoph Lüttgen (Text) & Hans-Jürgen Vollrath (Fotos)
Hinein durfte niemand – zumindest kein Normalsterblicher. Und aus dem handverlesenen Kreis der
Politiker, Ministerialbeamten und Militärs, die hinein mussten, um die atomare Krise zu üben, wollten
nicht wenige das unterirdische Labyrinth aus Beton und Stahl möglichst schnell wieder verlassen.
Die nackten Daten des sich zwischen 60 und 115 Meter unterhalb der Erdoberfläche erstreckenden
Bunkers übersteigen leicht die Vorstellungskraft: Über 18.8023 Quadratmeter erstreckt sich der
Regierungsbunker zwischen Marienthal und Dernau. Der gewaltige Bau besteht aus einem unterirdischen
Stollensystem mit einer Gesamtlänge von 19 Kilometern und verfügt unter anderem über 936
Schlafzellen, 897 Büros, 25.000 Türen, jeweils fünf Großkantinen, Kommandozentralen und
Sanitätsbauwerken sowie einer Druckerei und einem Friseursalon. Alles in allem sind dies 367.000
Kubikmeter umbaute Fläche.
Im Krisenfall sollte dieser zwischen 1960 und 1972 für drei Milliarden Mark erbaute „Ausweichsitz der
Verfassungsorgane des Bundes“ 3.000 ausgewählten Personen „Schutz vor feindlichen
Waffeneinwirkungen“ bieten und ihnen 30 Tage das Überleben garantieren.
Begleitet vom markerschütternden Hupsignal schiebt sich das tonnenschwere Haupttor zur Seite und
gibt den Blick frei auf endlos lange Gänge. Dann versperren wieder zwei mächtige Schleusentore den
Weg. Erst dahinter beginnt der eigentliche als Bunker genutzte Gebäudeteil. Elektrokarren dienen als
nützliche Fortbewegungsmittel. Die Farbe Grau beherrscht die Szenerie.
Entlang der Wände und der Decke ziehen sich akkurat verlegte Kabelstränge, Lüftungsrohre und
Rohrpostleitungen. Rechts und links befinden sich zahllose Säle, zum Beispiel für die Klima- und
Heizungszentrale, das bunkereigene Wasserwerk und andere überlebenswichtige Systeme. Nicht nur die
riesigen Dieselgeneratoren, Druckkessel und die aus der Schifffahrt stammenden Armaturen vermitteln
den Eindruck eines gewaltigen Maschinenraumes. Die Luftansauganlagen haben solche Ausmaße, das
ein Mitarbeiter des Bunkers in seinem Berufsleben allein damit beschäftigt war, die Filter zu kontrollieren.
„Der Bunker verfügte im Ernstfall über eine eigene Stromversorgung und ist darüber hinaus unabhängig
von der kommunalen Wasserversorgung“, erklärt Werner Czeratzki, der bis zum Schluss als technischer
Leiter tätig war.
Immer wieder passiert man Be- und Entlüftungsschächte und stößt auf bis zu 600 Meter lange
Notausstiege. Ein paar Gänge weiter treffen die Besucher auf den Verwaltungstrakt. Rechts und links
befinden sich kleine Büroräume, die in Schnitt und Ausstattung wie ein Ei dem anderen gleichen. An
Einzelzellen, wie man sie gemeinhin aus Haftanstalten kennt, erinnern die insgesamt 936 Schlafstuben.
Graue, enge Spinde, weiß geflieste Badezimmer, grau-weiße, schallgedämmte Büroräume, nüchterne
Konferenzsäle.
Weiter geht es durch das Labyrinth der Verbindungsgänge zur Großküche. Ein tunnelförmiger Saal stellt
das Notparlament dar. Dort hätte das Bundeskabinett mit dem Bundeskanzler tagen sollen. Ein
wahrhaftiger Kanzler hat allerdings den Bunker nie betreten. Bei den bis 1989 alle zwei Jahre
stattfindenden Nato-Übungen bevölkerten rund 1.000 Politiker und Beamte, vom Staatssekretär bis zur
Sachbearbeiterin die tiefe Trutzburg.
Alle Übungsteilnehmer wurden zum Schweigen verdammt und die, die mitspielen durften, gewannen für
14 Tage an Bedeutung, vor allem in den Augen der Kollegen, die nicht dabei sein durften. Bunkerspiele
als Statussymbol im politischen Bonn.
Stets ein Staatssekretär mimte den „Bundeskanzler üb“ (übungshalber). „Lediglich Helmut Schmidt hat
sich in seiner Eigenschaft als Verteidigungsminister einmal hier umgeschaut“, erinnert sich Werner
Czeratzki. Auf dem Weg in das „Zentrum der Macht“, dort, wo im Ernstfall der Bundeskanzler mit den
Stab des Heeres die oberste Kommandogewalt ausgeübt hätte, fristet eine öffentliche Telefonzelle ein
tristes Dasein. Bevor man das Büro des Bundeskanzlers erreicht, müssen zunächst fünf Vorzimmer
überwunden werden. Und dann: Verwunderung. Keine holzvertäfelten Wände wie im Honecker-Bunker,
kein Pomp, keine Spur von Luxus. Ein einfaches Feldbett, ein bescheidenes Metallgestell, hätte dem
Kanzler im Bunker zur Verfügung gestanden. Daneben eine ebenso bescheidene Kommode, auf der ein
Telefon steht.
An den Kanzlertrakt schließt sich der Kabinettssaal an. Dort, wo im Ernstfall über Lagepläne gebrütet
werden sollte, hängen zur Zeit Quer- und Längsschnitte des Bunkers. Ansonsten beherrscht den Raum
ein großer Konferenztisch.
Die Anfänge des monumentalen Bauwerks reichen in das Jahr 1910 zurück: Damals begann man im
Ahrtal mit dem Bau einer neuen Eisenbahnlinie, zu der auch ein etwa drei Kilometer langer Tunnel
gehörte. Das Ende des ersten Weltkrieges, bedeutete auch das Aus für den Tunnel, den die Franzosen
teilweise gesprengt und unpassierbar gemacht hatten. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Tunnel
erneut zu großen Teilen gesprengt. Nach dem Beitritt zur Nato ergab sich für die junge Bundesrepublik
Ende der fünfziger Jahre die Notwendigkeit, ein Schutzbauwerk für die Regierung und die anderen
Verfassungsorgane zu errichten. Dazu griff man auf den still gelegten Eisenbahntunnel im Ahrtal zurück.
Zwischen 1960 und 1972 entstand so der „Ausweichsitz der Verfassungsorgane des Bundes“. Neben der
baulichen Gestaltung gilt auch die Unterbringung sämtlicher Verfassungsorgane des Bundes als weltweit
einzigartig.
Am 9. Dezember 1997 kam dann das Aus für die amtliche Nutzung. Per Kabinettsbeschluss erhielt der
damalige Innenminister Manfred Kanther den Auftrag, die Schließung mit den anderen
Verfassungsorganen abzustimmen.
Das Aus für den Bunker kam schleichend und war scheinbar unausweichlich. Ein Gutachten über die
Brandgefahr und damit zusätzlich anfallenden Sanierungskosten in mehrstelliger Millionenhöhe gab
letztlich den Ausschlag für die Öffnung des Bunkers, und der damit verbundenen Hoffnung des Bundes,
das Objekt zu versilbern. Zwei Jahre lang hat sich der Bund vergeblich bemüht, einen Käufer für die
ungewöhnlichste aller Bundesimmobilien zu finden. Trotz 100 Anfragen und sechs konkreter Angebote
gelang es nicht, „eine zukunftsträchtige zivile Anschlussnutzung des Bunkers zu finden“.
Der letzte ernst zunehmende Interessent war der niederländische Betreiber des
„Kernwasser-Wunderlandes“ in Kalkar, Hennie van der Moest. „Doch die Umsetzung der
Brandschutzbestimmungen in Höhe von etwa 80 Millionen Mark und die Verpflichtung, im Falle des
Falles selbst für den notwendigen Rückbau zu sorgen, erwiesen sich letztlich als unlösbares Problem“,
erklärte Thomas Ernst-Hofmann, Regierungsdirektor der Bundesvermögensabteilung bei der
Oberfinanzdirektion Koblenz. Überhaupt verursacht die Unterhaltung des unterirdischen Bauwerks riesige
Kosten. Obwohl die Anlage zum Schluss nur noch zehn Stunden im Monat mit Licht versorgt
beziehungsweise das Be- und Entlüftungssystem eingeschaltet wurde, betrug die letzte Stromrechnung
rund 25.000 Mark.
Im kommenden Herbst 2001 beginnt also der sogenannte Rückbau. Ziel der 60 Millionen Mark teuren und
etwa fünf Jahre dauernden Rückbauarbeiten ist die „blanke Röhre“. Konkret: Die Bunkerstollen werden
vollständig entleert. Von Hand müssen 480.000 Quadratmeter Wandfläche von Farbe befreit werden, so
dass nichts außer nacktem Beton im Berg zurück bleibt. Danach werden sich täglich 100 Kubikmeter
Bergwasser in dem Bunker sammeln. Wasser, das von der Bunkerbelüftung zurück gehalten wurde.
Deshalb darf nichts zurück bleiben, was im Wasser gelöst und als Schadstoff ausgeschwemmt werden
könnte.
Insgesamt werden 580 Kilometer Kabel und Leitungen zerlegt, 1.000 Tonnen Bauschutt und 720 Tonnen
Schrott anfallen. Während der Bauzeit wird ein erheblicher LKW-Verkehr entstehen. „Um den kleinen
Weinorten an der Ahr allzuviel Lärm zu ersparen, wird eigens eine Baustraße vom Bunker zur Autobahn
A 61 errichtet“, erklärt Hofmann.
In ein paar Jahren wird der Bunker nur noch in der Erinnerung jener existieren, die ihn Jahrzehnte lang in
Schuss gehalten haben, oder ihn übungshalber betreten durften.
Mannheimer Morgen – 13.02.2001
Dem "Gasthaus" im Ahrtal läutet das letzte Stündchen
Atombunker der Bundesregierung wird endgültig zugemauert / Von 1966 bis 1989 alle zwei Jahre geheime Übungen |
Bonn. Eines der markantesten Kapitel des Kalten Krieges wird endgültig geschlossen: Der Atombunker der Bundesregierung im schönen Ahrtal - auch "Gasthaus zum letzten Stündchen" genannt. Kein Normalsterblicher durfte ihn je betreten. Er war stets umgeben von einem Mantel des Schweigens, weil 312 Meter unter den Weinbergen in den 70er und 80er Jahren das Unfassbare geprobt wurde: der Atomkrieg.
Und so sah das Szenario aus: Der Warschauer Pakt ist aufmarschiert und greift innerhalb kürzester Zeit an. Sowjetische Panzer stehen bereits am Rhein. Die Verteidigung an der Grenze der Bundesrepublik ist überrannt, der lebensnotwendige Nachschub aus den USA im Atlantik von russischen U-Booten gekappt worden. Dem Westen bleibt kein anderer Ausweg: Er muss den Nukleareinsatz androhen. Der erste Atomschlag wird ausgelöst, um den Ansturm aus dem Osten zum Stehen zu bringen.
Die Mitglieder der damaligen Bonner Regierung und Ministerien hatten einen kurzen Anmarschweg von rund 20 Kilometern zu ihrer Fluchtburg, einer Bunkerwelt von gigantischen Ausmaßen: unterirdische Flächenausmaße von 83 000 Quadratmetern, umbauter Raum von 367 000 Kubikmetern. Der gewaltige Bau besteht aus einem Stollensystem mit einer Länge von 19 Kilometern und verfügt über 936 Schlafzellen, 897 Büros, 25 000 Türen, jeweils fünf Großküchen, Kommandozentralen und Sanitätseinrichtungen sowie eine Druckerei und einen Friseursalon.
Von 1960 bis 1972 wurde der Bunker als "Ausweichsitz der Verfassungsorgane des Bundes" erbaut. Er sollte 3000 "ausgewählten Personen Schutz vor feindlichen Waffeneinwirkungen" bieten und ihnen 30 Tage "das Überleben garantieren". Auch das Notparlament sollte an der Ahr tagen. Von 1966 bis 1989 gab es alle zwei Jahre geheime Übungen, an denen alle Nato-Partner - von den USA bis zur Türkei - weltweit über ihre Kommandozentralen teilnahmen. Die Atmosphäre im Bunker wurde von Teilnehmern immer wieder als "gespenstisch" geschildert. Wer in der unterirdischen Welt beschäftigt war, musste sich schriftlich verpflichten, nicht einmal seinem Ehepartner davon zu erzählen.
Die Anfänge des monumentalen Bauwerks reichen in das Jahr 1910 zurück. Zunächst war kein Bunker, sondern ein Tunnel für die Eisenbahn geplant. Nach dem Ende des Kalten Krieges und der veränderten Weltlage wurde die für den Frühling 1991 geplante Übung abgesagt. Alle Versuche in den folgenden Jahren, etwa eine Champignonzucht anzulegen oder ein unterirdisches Freizeit- und Kongresszentrum einzurichten, schlugen wegen der hohen Umbaukosten fehl. Die zuständige Bundesvermögensabteilung bei der Oberfinanzdirektion Koblenz entschied sich jetzt für den "Rückbau" des Bunkerkomplexes, der im Herbst beginnt, Kostenpunkt: 60 Millionen Mark. Alles wird ausgeräumt, selbst die Farbe von den Wänden gekratzt, damit es wegen des Durchsickerns des Bergwassers keine Umweltschäden gibt. Es darf nichts zurückbleiben, was im Wasser gelöst und als Schadstoff ausgeschwemmt werden könnte. Und dann wird der einstige Regierungsbunker für alle Zeiten "eingemauert". dpa
© Mannheimer Morgen – 13.02.2001
WDR 5 Morgenecho 04.01.2001
http://www.wdr5.de/morgenecho/serien/umzugfolge6.phtml
4.1.2001
Eine Berliner Tageszeitung schlug vor, aus dem Bonner Plenarsaal einen Tagungsort für Karnickelzüchter zu machen. Die Phantasie der Unternehmensberatung Kienbaum ging deutlich weiter. In einem Gutachten nannte Kienbaum drei Nutzungskonzepte: Erstens könne man im Plenarsaal Kongresse internationaler Organisationen wie der UNO stattfinden lassen. Zweitens ließe die Kongreßnutzung sich deutlich erweitern, so daß beispielsweise auch der Weltchirurgenverband dort tagen könne. Das Bonner Maritim hat inzwischen Interesse angemeldet, als Veranstalter aufzutreten. Und drittens könnten private Unternehmen das Gebäude nach eigenen Vorstellungen nutzen.
Egal wie - der Plenarsaal müßte umgebaut werden. Und das ist teuer: Je nach Nutzung würden die
Kosten laut Kienbaum bis zum Jahr 2010 bei 56 bis 106 Millionen Mark liegen. Denkmalschützer haben
unterdessen vorgeschlagen, den historisch bedeutungsvollen Plenarsaal so zu lassen, wie er ist und darin ein Museum des Parlamentarismus einzurichten. Ein Haus, das als Mittelpunkt der Demokratie
gebaut wurde, lasse sich nicht einfach als Kongreßzentrum oder gar Universitäts-Hörsaal nutzen.
Unklar ist auch was aus dem Gästehaus Petersberg werden soll, das mitten im Naturpark Siebengebirge
hoch über dem Rhein liegt. Hier stiegen ausländische Staatsgäste wie der Schah von Persien und
Königin Elisabeth II. ab. Die Hotelangestellten wußten schnell die Frage der Moslems zu beantworten, wo
denn Mekka liege: "Etwas links vom Drachenfels." Und Leonid Breschnew, Generalsekretär der KPdSU,
fuhr in den Serpentinen des Petersberges sein Gastgeschenk - einen nagelneuen Mercedes - zu
Schrott. Das Gästehaus Petersberg sollte verkauft werden, fast zwei Jahre lang versuchte ein
renommiertes Bankhaus die Immobilie mit Hotelkomplex, Hubschrauberlandeplatz, 110 Hektar Wald und
einer Barockkapelle zu verkaufen. Vergblich. Selbst zahlungskräftige, internationale Hotelketten können
sowas nicht brauchen, die private Nutzung rechnet sich nicht. Das verantwortliche Auswärtige Amt
erklärte die Verkaufsverhandlungen für gescheitert. Was nun?
Weniger prachtvoll ist der Atombunker im Ahrtal, in dem ein Notparlament im Falle eines Krieges hätte
überleben sollen. Auch für den unter Weinbergen gelegenen Bunker fand sich kein Investor, der dort
beispielsweise eine Champignonzucht oder eine Technodisko hätte einrichten wollen. In diesem Fall hat
die neue Bundesregierung entschieden: Für etwa 60 Millionen wird der Bunker zugeschüttet. Die
Dienststelle Marienthal, wie sie im Bonner Jargon heißt, wird abgewickelt.
Süddeutsche Zeitung
http://szonnet.diz-muenchen.de/REGIS_A11606675
FEUILLETON
Samstag, 23. Dezember 2000
Bayern Seite 20 / Deutschland Seite 20 / München Seite 20
Der Untergang des Untergangs
Kein Bauwerk spiegelte den Seelenzustand der Bundesrepublik so sehr wider wie ihr einst geheimstes Bauwerk: Der ehemalige Regierungsbunker unter den
Ahrweinbergen bei Bonn muss erhalten werden!
Staatsgeheimnisse gibt es seit uralten Zeiten in zwei Formen: Als Software und als Hardware. Die greifbaren Staatsgeheimnisse waren meist submarin oder
subterran untergebracht – zum Beispiel die größte Leiche im Keller des westlichen Teils der beiden versunkenen deutschen Nachkriegsstaaten: ein Bunkerkoloss
unter den Ahrweinbergen bei dem Weinort Marienthal, gute zwanzig Kilometer Luftlinie vom ehemaligen Regierungssitz in Bonn entfernt.
Bis zu dreitausend Vips aus Militär, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sollten hier den Atomkrieg überstehen, zumindest seine ersten Wochen, und von hier aus
das weiter führen und regieren, was oben übrig blieb. Dieser „Ausweichsitz der Verfassungsorgane des Bundes im Krisen- und Verteidigungsfalle zur
Wahrnehmung von deren Funktionsfähigkeit“, wie der Bunker im Amtsdeutsch offiziell hieß, wurde in den fünfziger Jahren geplant und war im Jahr 1971
endgültig fertiggestellt. Am 8. Dezember 1997 beschloss das Bundeskabinett, den Bunker aufzugeben und ihn der Oberfinanzdirektion in Koblenz zur weiteren
kommerziellen Verwertung zu übergeben. Mit diesem Datum wurde auch die Geheimhaltung aufgehoben. Zum ersten Mal konnten Vertreter von Fernsehen und
Presse das höchste Staatsgeheimnis der Bundesrepublik besichtigen, über das öffentlich zu reden bis dahin den Straftatbestand des Landesverrats erfüllt hätte.
Der Bunker ist eine architektonische, politische und militärische Planungs- und Denkgroteske. Kein anderes Gebäude der alten Bundesrepublik spiegelt so genau
den Seelenzustand der westdeutschen Gesellschaft zwischen 1950 und 1980 wider. Die Gesamttunnellänge der in fünf voneinander abschottbare Sektoren
geteilten Sicherungsanlage beträgt 19 Kilometer. Insgesamt besteht die unterirdische Welt aus 936 Schlafzellen, 897 Büroräumen, fünf Großkantinen, fünf
Kommandozentralen, fünf Krankenstationen inklusive Operationssälen. Es gibt ein Bauwerk West, das in die Abschnitte West/West, West/Mitte und West/Ost
unterteilt ist, und ein Bauwerk Ost mit den beiden Abschnitten Ost/West und Ost/Ost. Hier befinden sich der Plenarsaal, die Räume für das Bundeskanzleramt
und das Bundespräsidialamt mit Vorzimmern, Empfangs- und Konferenzräumen und den Schlafzimmern des Kanzlers und des Bundespräsidenten. Die
Tunnelröhren sind zweigeschossig und mit einer aufwendigen Belüftungs- und Dekontaminationstechnik ausgestattet. Es ist möglich, das gesamte Areal für
mindestens einen Monat total von einer atomar verseuchten Außenwelt abzuschotten. Die Frage, was dann käme, galt als Tabubruch.
Noch heute traut sich kein ehemaliger Bonner Politiker über den Bunker zu reden. Geschweige denn zuzugeben, dass er mal drin war. Dem Kanzler und dem
Präsidenten war es verboten, den Bunker während der NATO-Übungen, die alljährlich stattfanden, zu betreten. Zu gefährlich. >>
Allein für den Bau der Bunkergroteske hat der Steuerzahler nach heutigen Schätzungen zwischen drei und fünf Milliarden Mark hingeblättert. Der Zweck ist
dem Bauwerk nicht erst nach der Wiedervereinigung abhanden gekommen. Bereits bei seiner Fertigstellung war die „Dienststelle Marienthal“ angesichts der
weit fortgeschrittenen Rüstungstechnik praktisch sinnlos. Es gab hinter dem Geheimnis des Bunkers noch geheimere Pläne. Nach Recherchen des Journalisten
Michael Preute sollten die bunkerwürdigen Vips im Ernstfall nach Orlando in Florida ausgeflogen werden.
Der Bunker war spätestens nach seiner Fertigstellung nichts weiter als eine militärische Spielkulisse für Nato-Szenarien, aber er blieb das bestgehütete politische
und militärische Geheimnis der Bonner. Jeder Handwerker, der dort elektrische Birnen auswechselte, wurde beamtet und musste mit erhobener Hand
Verschwiegenheit schwören. Während also der Elektriker seiner Frau nicht verraten durfte, wo er arbeitete, obwohl im Ahrtal jeder wusste, was unter dem
Weinberg lag, konnte sich andererseits ein findiger Journalist die genauen Baupläne des „Rosengartens“, wie der Bunker in Geheimdienstkreisen hieß, aus
Ostberlin schicken lassen. Drei Jahre lang hat man in Koblenz nach einer seriösen Verwertungslösung für das Atommonstrum gesucht. Es gab Vorschläge für
eine Bunkerdisco, für ein Abenteuerhotel, für eine Pilzzucht und zur Lagerung von Geldmünzen oder von privaten Lieblingsstücken für die Ewigkeit. Die
Vorschläge machen deutlich, wie kläglich sich zivile Konversionsfantasien gegenüber den atomaren Endspielvorstellungen des Kalten Krieges ausnehmen.
Bevor der Bunker nun auf Beschluss der Bundesregierung entkernt und versiegelt wird, hat der Aachener Fotograph Andreas Magdanz das gesamte Bauwerk in
seiner grotesken Schauerlichkeit in einem opulenten Bildband festgehalten>>(Dienststelle Marienthal. Eine Gebäudemonographie von Andreas Magdanz. Im
Eigenverlag. Telefon 0241/39989).
Magdanz gelingt es, mit seinen Fotos die Zwiespältigkeit der Anlage zu zeigen. Aus allen Bildern springt den Betrachter die erschreckend rührende Naivität an,
mit der sich Verwaltungsbeamte und Sandkastenmilitärs den Atomkrieg und das Überleben darin vorgestellt haben. In Magdanz’ Fotos wird der Bunker zu dem,
was er wirklich ist: eine einfältige Rettungsfantasie angesichts eines Weltuntergangs von biblischem Ausmaß. Realisiert mit dem graustufigen Erfindungsreichtum
von Verwaltungsbeamten und Militärs. Es wohnt dieser Architektur dieselbe Naivität inne, wie sie uns aus dem Umgang von Behörden mit der Atomkraft
überhaupt entgegenschlägt. Da kommen Erinnerungen an Broschüren hoch, die für den Fall eines atomaren Unglücks empfahlen, die Fenster zu schließen, unter
einen Tisch zu krabbeln und sich eine Aktentasche über den Kopf zu stülpen. Dieser Geist wird lebendig, wenn man sich Magdanz’ Bunkerfotos anschaut. >>
Die Marienthaler Architektur ist reine Innenarchitektur. Es ist der Sinn dieses Bauwerks, dass es von außen nicht fotografierbar ist. Zu sehen sind kilometerlange
Gänge im kalten Neonlicht, die in der Ferne zu einem schwarzen Punkt zusammenschmelzen. Im Vordergrund ein auf den weißgrauen Putz gemalter Pfeil mit
der Aufschrift „Notausgang“. Allgegenwärtig sind die Rohre der Belüftungstechnik und die Kabelleitungen für Strom und interne Kommunikation. Die Technik ist
auf dem Stand der späten sechziger und frühen siebziger Jahre. Die Monitore im Überwachungsraum haben das Design aus dieser Zeit. Die Dieselmotoren und
die meterdicken Sicherheitstore der Firma MAN sind Spezialanfertigungen, für die es heute nur noch in der Dienststelle selbst Ersatzteile gibt. Magdanz’ Fotos
zeigen eine karge Zweckarchitektur. Einfachste Ausstattung der Büros. Telefone mit Wahlscheiben noch in der originalen Lieferverpackung. In vielen der fast
900 Büroräume hat nie jemand gesessen. Gespenstisch in seiner Irrealität ist vor allem das militärische Lagezentrum, das Magdanz als Einziger fotografieren
durfte.
Am Eingang die Aufschrift „Nukleare Lagezelle. Zutritt nur mit CTS / AtomalKonferenz-Bescheinigung“. Ein Schrank gibt ein Teil des Nato-Spielzeugs preis.
Auf orangefarbenen Magnetstickern, die an der Innenseite der Schranktür neben Symbolen für Atomkraftwerke, Bomber und Fallschirmspringer kleben, kann
man Namen wie Ankara, Berlin, Eisenach, Kola, Kiew, Kolberg, Moskau, Murmansk lesen und Begriffe wie „Niedrig“, „Mittel“, „Kriegsschauplatzreserve“,
„Mainstay“, „Handelsschiffe“, „Bestand“, „Überwasserstreitkräfte“. Vor allem fällt das Wort „Verluste“ auf, das in allen Variationen der Druckkunst vorhanden
ist. Zwischen den Kästen mit Buchstabenplättchen liegt ein Pappkarton mit der Aufschrift „Bratenschmalz“. Das Staatsgeheimnis, das uns Magdanz vorwiegend
in Schwarzweiß-Fotos vor Augen führt, wirkt, ans Licht gezerrt, lächerlich. Wir rasen durch die Gänge auf der Suche nach dem Gott des Kalten Krieges, der
zwei Generationen von Mitteleuropäern zu Mitübenden der Militärs gemacht und in Angst und Schrecken gehalten hat. Und wir landen am Ende eines Tunnels
bei einer öffentlichen Telephonzelle der ehemaligen Bundespost.
Was war der Kalte Krieg? Eine endlose Reihe von Manövern? Ein kollektiver Endzeitwahn? Eine tatsächliche Bedrohung der Menschheit? Wer im
Elektrokarren durch die Tunnelanlage unter den Ahrweinbergen fährt, dem wird endgültig klar, wie Staatsgeheimnisse funktionieren. Sie werden wie alle Mythen
– politische, ökonomische und religiöse – aus Angstfantasien zusammengesetzt, hinter denen nichts weiter steht als Machtwille, organisiert in
Verwaltungsvorgängen. Die Relikte der Angstverwaltung einer ganzen Epoche sind im Ahrbunker – und vielleicht bald nur noch im Fotoband von Andreas
Magdanz – zu besichtigen.
Der Bunker ist das bedeutendste Architekturdenkmal der Epoche des Kalten Krieges in Mitteleuropa und sollte wenigstens zu einem Teil unter Denkmalschutz
gestellt werden. Bisher hat sich kein einziger Politiker im Bund oder im Land Rheinland-Pfalz dafür eingesetzt. Rückbau und Versiegelung, wie es im
Amtsdeutsch heißt, bedeuten den unwiederbringlichen Verlust einer Architektur aus einem Maulwurfsgeist, der kennzeichnend war für die Mentalität der
Nachkriegsdeutschen in Ost und West. Im Moment trauert keiner dem Bunker nach. Aber eigentlich müssten gerade die Deutschen wissen, dass Zeugnisse aus
der Vergangenheit, die man vergräbt, eines Tages spektakulär wieder auferstehen.
MICHAEL WINTER
General-Anzeiger 8.12.2000
(08.12.2000)
Bonn. (ga) Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck soll sich in seiner Funktion als Bundesratspräsident dafür einsetzen, dass die Außenstelle des Bundesrates in Bonn wie vorgesehen eingerichtet wird und bestehen bleibt. Das fordern die beiden Landräte des Kreises Ahrweiler und des Rhein-Sieg-Kreises, Jürgen Pföhler und Frithjof Kühn, in einem Schreiben an Beck.
Beim Fortzug des Parlaments und Teilen der Bundesregierung nach Berlin seien der Region Bonn "Enttäuschungen leider nicht erspart" geblieben, klagen die Landräte. So habe sich der Bundesrat im Juli 2000 aus Bonn verabschiedet, obwohl dieser ursprünglich beschlossen habe, zunächst am Rhein zu bleiben und "korrespondierende Fachausschüsse" in Bonn tagen zu lassen. Bereits der '97er Beschluss des Ständigen Beirats des Bundesrates zur Konzeption der Bonner Außenstelle sei aus Sicht der Region Bonn/Rhein-Sieg/Ahrweiler "eine unbefriedigende Minimallösung" gewesen. Dieses Konzept habe den Zusicherungen des Umzugsbeschlusses des Bundesrates nicht entsprochen. Der Außenstelle seien lediglich untergeordnete Funktionen zugewiesen worden.
Vor einigen Monaten sei bekannt geworden, dass weitere Ausschüsse der Ländervertretung entgegen der Festlegung künftig in Berlin tagen sollen; auch dies sei eine erneute Abweichung von den eigenen Beschlüssen des Bundesrats und von den Zielen des Berlin/Bonn-Gesetzes. Pföhler und Kühn appellieren in ihrem Schreiben an Beck: "Wir möchten Sie deshalb im Interesse unserer Region herzlich bitten, sich als Präsident des Bundesrates für die umfassende und vollständige Umsetzung der Beschlüsse zur Außenstelle einzusetzen."
13. November 2000 von Christian Linder
Nirgendwo ist auch ein Ort
Der Atombunker der deutschen Bundesregierung
30 Jahre lang war er oberste Geheimsache: der Atombunker der deutschen Bundesregierung. Mit dem Umzug nach Berlin hat die gigantische Anlage, die «im Krisen- und Verteidigungsfall» die amtierende Regierung und hohe Militärs beherbergen sollte, ausgedient. Hier wurde jahrelang Krieg gespielt. Nachdem alle privatwirtschaftlichen Nutzungsprogramme gescheitert sind, wird der Bunker nun «zurückgebaut».
Noch ein Blick in den an diesem Tag blauen Himmel über dem Ahrtal, über uns in den Weinbergen, auf dem Rotweinwanderweg, einige Spaziergänger, die uns erstaunt anstarrten: wie wir da vor einer durch Kameras bewachten Betonanlage standen; dann schob sich das Tor mit den Panzerglasfenstern zur Seite, und wir betraten den in den letzten 30 Jahren geheimnisvollsten und bestgehüteten Ort der Bundesrepublik: den Atombunker der Bundesregierung.
Seit dem Beschluss, dass Parlament und Regierung ins 640 km entfernte Berlin umziehen, hat der Bunker als, wie er im Behördendeutsch heisst, «Ausweichsitz der Verfassungsorgane des Bundes im Krisen- und Verteidigungsfall» ausgedient. Über das Bundesvermögensamt in Koblenz versuchte der Bund die im Land Rheinland-Pfalz gelegene und mit einem Kostenaufwand von etwa fünf Milliarden Mark gebaute Immobilie durch öffentliche Ausschreibung «gegen Höchstgebot» zu verkaufen. Bedingung war ein brauchbares und mit den umliegenden Gemeinden abzustimmendes Nutzungskonzept, das aber niemand vorlegen konnte. Da meldete sich nach Ende der Ausschreibungsfrist noch ein Kaufinteressent aus Linz, der mich bat, ihn bei der Besichtigung des Bunkers zu begleiten. Im zur Gemeinde Dernau gehörenden Ortsteil Marienthal führt die Klosterstrasse - «Anlieger frei» - zum offiziell als Dienststelle Marienthal» getarnten Bunker. Früher sicherte der Bundesgrenzschutz den Bunker weiträumig ab. Die Warnung «Betreten der Anlage verboten. Dienststelle Marienthal» wird jeder Wanderer befolgt haben, zumal wenn er auf einsamen Waldwegen plötzlich Leuten mit Maschinenpistole und Hund an der Leine begegnete.
Das Wachpersonal ist abgezogen. Auf dem Parkplatz, neben dem Hubschrauberlandeplatz, auf dem im «Verteidigungsfall» der Bundeskanzler eingeschwebt wäre, ein riesiges weisses Zelt, als ob darin ein Buffet aufgebaut sei und gleich eine Party beginne. Manchmal öffnet sich die Bunkertür, und Männer in blauen Arbeitskitteln kommen auf einem Fahrrad heraus. Andere verlassen den Bunker auf kleinen Elektrowagen, die zwei, drei Anhänger ziehen, darauf offene Kisten voll mit Besen oder Wolldecken. Nur die Kameras und Scheinwerfer auf dem Dach des Bunkereingangs und die dunklen Panzerglasscheiben verraten, dass hier einmal allerhöchste Sicherheitsstufe galt. Aber da steht vor dem Zaun, der den Eingang umgibt, auch ein kleines hölzernes Wachhäuschen, auf den ersten Blick etwas morsch und für die Verteidigung des Bunkers nicht eben geeignet, und man ahnt, dass einen auch etwas Komisches erwarten könnte.
Probekrieg
Konzipiert und gebaut wurde der Atombunker für eine kurze Frist des Überlebens: wenn nach dem Verlust aller Grossorientierungen auf dem Bildschirm des Weltgeschehens wie nach Programmschluss nur noch das Flimmern der kleinen Lichtpünktchen zu sehen und als Begleitmusik ein diffuses Rauschen zu hören ist. Diese Situation wurde im Bunker während der regelmässig stattfindenden Nato-«Wintex»-Übungen simuliert,wobei die Rolle des «Bundeskanzlers üb.(ungshalber)» ein Staatssekretär aus dem Kanzleramt spielte. «Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger», verkündete der «Bundeskanzler üb.» über die zentrale Lautsprecheranlage seinen Bunkermitinsassen, «meine sämtlichen Friedensbemühungen sind gescheitert. Wir befinden uns im Krieg.»
«Der Bundestag», so sprach im Fernsehstudio des Bunkers vor laufender Kamera der «Regierungssprecher üb.» zu den draussen gebliebenen «Mitbürgerinnen und Mitbürgern»,
hat mit Zustimmung des Bundesrates gem. Artikel 115a Grundgesetz den Verteidigungsfall festgestellt. Gemäss § 12 (1) des Katastrophenschutzgesetzes hat die Bundesregierung Anordnungen erlassen, dass die Einwohner ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort nur mit Erlaubnis verlassen dürfen; dass Personen besonders gefährdeter Gebiete vorübergehend anderweitig untergebracht werden. Auf Grund der Sabotageanschläge ist für den Landkreis Ahrweiler eine Ausgangssperre in der Zeit von 23.00 bis 05.00 Uhr angeordnet worden.
Wenn man Unordnung definiert als einen Zustand, in dem es gleich wahrscheinlich ist, dass der Kamm in der Bürste und in der Butter steckt, dann muss ein Atombunker, in dem man sich dem irdischen Chaos zu entziehen hofft, ein Hort grösster Ordnung sein. Als Ort, wo endlosen schnurgeraden Gängen endlose schnurgerade Gänge folgen, wirkt er auch so. Der Eingangsbereich ist noch grosszügig gestaltet, breite Korridore, in denen links die Elektrowagen geparkt und rechts Fahrräder abgestellt sind, die beiden im Bunker einzig geeigneten Transportmittel. Denn hat man die riesige Schleuse durchschritten (die im Fall des Falles sich geschlossen und die Bunkerbewohner vor atomaren Strahlen geschützt hätte), werden die Gänge eng. Zu Fuss machen wir uns auf den Weg, nachdem man uns eine kleine Tasche mit Atemschutzgerät in die Hand gedrückt hat, «vorsorglich, falls es brennt». Zusätzlich nehmen wir noch eine Botschaft mit auf die Reise, die auf einem Zettel am Eingang zu lesen steht. «Bürokratie», wird da Balzac zitiert, «ist ein gigantischer Mechanismus, der von Zwergen bedient wird.»
Gigantisch ist der Bunker: 83 000 Quadratmeter gross, bei einer umbauten Fläche von 367 000 Quadratmetern hat man einen Spaziergang von 19 Kilometern vor sich. Gebaut wurde der Bunker in einen ehemaligen von 1918 bis 1924 errichteten Eisenbahntunnel, durch den aber nie ein Zug fuhr, weil man den Ausbau kurz vor der Fertigstellung abbrach. Der Tunnel wurde anders genutzt: Im Zweiten Weltkrieg mussten hier Häftlinge des KZ-Aussenlagers Marienthal V-2-Raketen zusammenbauen, und gegen Ende des Krieges suchte ein Grossteil der Bevölkerung des Landkreises Ahrweiler darin Schutz. 1945 beschloss der alliierte Kontrollrat zwar, die Anlage zu sprengen, aber aus Sorge, mit der Sprengung würden auch Weinberge zerstört, sollen die Ahr-Bewohner das Sprengkommando so reichlich mit ihrem guten Rotwein abgefüllt haben, dass die Tunnelanlage erhalten blieb.
Als Anfang der sechziger Jahre, mitten im Kalten Krieg, die Regierung sich ein unterirdisches Handlungszentrum und Überlebensterritorium ausdachte, erinnerte man sich an den gut 25 Kilometer von Bonn entfernten Ahr-Tunnel und baute einen Teil - den heutigen Teil «Ost» - bis 1965 als Atombunker aus. Die grösste und geheimste Baustelle der Bundesrepublik breitete sich mit den Jahren immer weiter aus, und bis 1972 entstand mit dem zusätzlichen Teil «West» der Bunker in seinem heutigen Ausmass, mit insgesamt fünf Bauteilen, die unabhängig voneinander mit Strom, Luft und Verpflegung versorgt werden können. Kosten wurden nicht gescheut, ständige Instandsetzungen und Erweiterungen mit modernstem technischem Standard waren selbstverständlich. In dieser Stadt im Berg wäre man im Kriegsfall autark gewesen.
Das Wasser kommt aus eigenen Brunnen und Zisternen. Einen Anschluss an das öffentliche Stromversorgungsnetz der RWE gibt es zwar, mit zwei Übergabestellen ausserhalb des Bunkers, aber man kann über ein eigenes Kraftwerk den Strom auch selber erzeugen. Mindestens dreissig Tage hätte man ohne Kontakt mit der Aussenwelt leben können, wobei der Treibstoff- und Verpflegungsvorrat wahrscheinlich für länger als ein Jahr gereicht hätte. «Die Anlage ist vollständig gegen äussere Einflüsse verschliessbar», versichern die Bunkerbauer. Ob die Mauern allerdings auch einen direkten Raketenangriff überstanden hätten, weiss niemand. Denn obwohl die Existenz des Bunkers lange bestritten wurde, kann man davon ausgehen, dass der potenzielle Gegner von seiner Existenz und seiner genauen Lage wusste, und im Fall des Falles wäre sicher ein Raketenschwarm Richtung Marienthal geschickt worden, wo die politische und militärische Führung beisammen gesessen hätte.
In einem gegen die Aussenwelt abgeschlossenen Atombunker bewegt man sich in einem Bereich ohne feste Kategorien und sichere Orientierungen, in einem Überlebensraum, dessen Lage und Beschaffenheit und Zweck es gleichwohl nötig machen, ein nach dem Programmschluss auf Sparflamme reduziertes Leben noch gesellschaftlich zu kontrollieren, zu formen und auf Lösungen hin zu durchdenken. Vielleicht ist das der Wahn, den so ein Atombunker ausdrückt und der einen bei einem Spaziergang durch ihn bedrängt. Es ist das Erschrecken bei dem Gedanken, dass, wenn die äussere Welt verschwunden wäre, man sich auch selber aus den Augen verloren hätte.
Künstliche Stille
Für den Ernstfall eines Albtraums konstruiert, begrenzen die Äußeren Mauern und die gegen Atomstrahlen dicht verschliessbaren Schleusen des Bunkers sozusagen die Innenwelt dieses Albtraums. Je tiefer wir in ihn hineingehen, desto deutlicher wahrnehmbar wird auch die künstliche Stille, und es beschleicht einen die Ahnung, dass es neben den technischen Geheimnissen, die der Bunker birgt, noch ein anderes Geheimnis gibt, das wahre Geheimnis des Bunkers, das vielleicht in dieser künstlichen Stille verborgen ist.
Gelegentlich taucht aus einem Nebengang plötzlich, wie zum Trost, ein Fahrradfahrer auf, dann kommt einem ein Elektrokarren mit Anhängern entgegen, auf denen irgend etwas aus dem Bunker heraus transportiert wird - er wird seit einiger Zeit leer geräumt. Die Elektrowagen wurden eigens für den Bunker konstruiert. «Hier drin ist nichts von der Stange», sagt Werner Czeratzki, der leitende Ingenieur, und wird es später noch mehrmals sagen.
Wir öffnen eine Tür nach der anderen, schalten das Licht ein und sehen: ein Schreibtisch, ein Schrank, zwei, drei Stühle, jedes Zimmer wie das andere, mit Gasbetonplatten und abgehängten Decken, manchmal steht noch eine uralte Olympiaschreibmaschine herum, und man fragt sich, welche Textsorten in den 897 Büroräumen wohl «im Verteidigungsfall» in diese Maschinen getippt worden wären. Auch die einen Stock höher gelegenen Schlafräume sind eng, vier, fünf, sechs Betten übereinander, der Standard der gesamten Einrichtung zwischen Jugendherberge und Kaserne. Die sanitären Anlagen ebenso klein, alles funktioniert aber noch, aus den Hähnen kommt Wasser, und Toilettenpapier ist auch reichlich vorhanden.
Unbekümmert, dass der Kaufinteressent aus Linz auf Fragen des Herrn vom Bundesvermögensamt nach seinem Nutzungskonzept beharrlich schweigt, führt uns Werner Czeratzki durch sein Reich - er muss uns nicht mehr als Spione fürchten. Seit gut dreissig Jahren im Bunker, ist er als leitender Ingenieur «Regierungsoberamtsrat» - so viele beamtete Ingenieure undTechniker wie in Marienthal waren in Deutschland bestimmt nirgendwo sonst beisammen; selbst einfachen Handwerkern wie Schlossern und Schreinern gab man den Beamtenstatus, um ihre Pflicht zur Verschwiegenheit bei Androhung von Strafe nachdrücklicher in Anspruch nehmen zu können. Früher, als der Bunker rund um die Uhr in Alarmbereitschaft «gefahren» wurde, arbeiteten 180 Festangestellte darin, davon 140 Techniker. Heute sind noch 50 Leute im Dienst, und die Kommandozentrale für den «heruntergefahrenen» Betrieb in den fünf Bauteilen sind wenigstens tagsüber noch besetzt. Welche Stromkosten denn bei so geringer «Fahrt» der Anlage anfielen, erkundigt sich der Kaufinteressent. «Pro Monat etwa 50 000 Mark», antwortet Werner Czeratzki mit einer leisen Emotion in der Stimme, als wolle er sagen, er halte es für unmöglich, dass ein Privatinvestor den Bunker übernehmen könne.
Im Waschraum des Kanzlers
Herz und zugleich Lunge des Bunkers ist der Maschinenpark, der teilweise wie aus einem Science-Fiction-Film der sechziger, siebziger Jahren wirkt. Wir stehen vor einem riesigen Schiffsdieselmotor im Wert von einer Million Mark. Das Problem war, ihn überhaupt in den Bunker hineinzuschaffen; ab der Endladezone mussten alle Maschinen und andere Geräte auf Elektrokarren transportiert werden, mit einer Geschwindigkeit von 10 Kilometern in der Stunde notfalls über die vollen 19 Kilometer Streckendistanz. Der Schiffsdieselmotor wurde folglich in sämtliche Einzelteile zerlegt in den Bunker gebracht und erst darin auf- und zusammengebaut. Einige Maschinen stammen noch aus den sechziger Jahren, wirken aber gepflegt und sind alle noch betriebsbereit, versichert Werner Czeratzki. Sein Vortrag ist gründlich, und ich bin hinterher fest überzeugt, dass Werner Czeratzki auf den 83 000 Quadratmetern des Bunkers jede Schraube kennt. Wenn er den Bunker wirklich kaufen wolle, raune ich dem Mann aus Linz zu, müsse er Werner Czeratzki unbedingt engagieren.
Dann stehen wir im Waschraum des Bundeskanzlers. In die Dusche hätte ein Kanzler Kohl nie hineingepasst, aber der war auch nie im Bunker, wie überhaupt noch kein amtierender Bundeskanzler seinen Arbeitsplatz unter der Erde besichtigt hat. Der Bundeskanzler hat immerhin ein Einbettzimmer, allerdings auch nur mit Bundeswehrfeldbett bestückt. Das Büro gleich nebenan, mit schwarzem Filzstift hat jemand auf die Tür geschrieben: «Bundeskanzler». Auf dem Schreibtisch ein grünes Telefon aus den siebziger Jahren. Glasfaserkabel für ISDN-Anbindungen wurden aber inzwischen noch verlegt. Wir sind im militärischen Bereich des Bunkers und erreichen bald das Fernmeldezentrum. Vielleicht hat Werner Czeratzki meinen erstaunten Blick auf die nicht mehr angeschlossenen, uralten Fernschreiber bemerkt, denn als wir wenig später das Lagezentrum der Bundeswehr betreten, erwähnt er, dass hier modernste Elektronik installiert war. Die Bundeswehr hat ihre Anlage bereits entfernt. An den Wänden hängen gebliebene Landkarten lassen aber noch erkennen, dass hier einmal Krieg gespielt wurde.
Die Beamten und Angestellten aus den Bonner Ministerien, die in den Bunker einrückten und das unterirdische Leben ausprobieren sollten, durften hinterher nicht einmal ihren Ehefrauen über ihre Erlebnisse berichten. Geheim war alles, auch das Drehbuch, das das Eingangsszenario des Übungskriegs festlegte, kannte nicht jeder, so dass es, wie erzählt wird, im Bunker manchmal chaotisch zuging. Ein ehemaliger «Regierungssprecher üb.», der, nach langen Diskussionen, was man dem draussen überlebt habenden Teil der «Bevölkerung üb.» an Informationen zumuten könne, die Statements zur Kriegsentwicklung vorlesen musste, erinnert sich, dass es auch gemütlich- familiär zugegangen sei, schliesslich habe man sich aus den Bonner Ministerien gegenseitig gekannt, und trotz striktem Alkoholverbot sei man mit Bier und Wein gut versorgt gewesen.
Es soll allerdings auch zahlreiche Nervenzusammenbrüche bei diesen Übungen gegeben haben, so dass ebenso ein üppiger Vorrat an Valium und anderen Beruhigungsmitteln im Bunker vorhanden war. Ob man auch vorbereitet war für den Fall, dass das Licht im gesamten Bunker ausgefallen wäre und die Übungsmannschaft sich in der klassischen Paniksituation befunden hätte, ist nicht bekannt. Es waren wahrscheinlich permanente Metamorphosen von Ernst und Unernst, von Parodie und schrecklicher Wahrheit, die sich im Bunker ereigneten. Am Ende existierte alles nur noch in Form von Trümmern, und man zählte die «Toten üb.».
Wir setzen die Bunkerreise auf einem von einem Elektrowagen gezogenen Anhänger fort. Die Leichenverbrennungsanlage wollen wir nicht sehen. Wir besichtigen statt dessen die zentrale Kleiderreinigungsanlage, die auf Wunsch eines bestimmten Bundestagsabgeordneten von einer bestimmten Firma eingebaut wurde. Sie war auch tatsächlich in Betrieb, es riecht noch nach Waschmitteln. Das schönste Altertümchen im Bunker entdecken wir dann im medizinischen Trakt: einen Behandlungsstuhl, der an Zahnarztbesuche der sechziger Jahren erinnert.
Als der Elektrowagen vor einer Wand hält, wähnen wir uns in einer Sackgasse, unser Fahrer begibt sich in die nächstliegende Kommandozentrale, und nach einigen Minuten, unter ohrenbetäubendem Sirenengeheul und dem Flackern roter Warnlampen, entpuppt sich die Wand als ein Tor, das sich langsam öffnet. Dahinter noch einmal ein kleiner Gang, schliesslich eine Tür, die Werner Czeratzki aufschliesst, wir treten hinaus und blicken auf Dernau. Der Himmel über dem Ahrtal ist immer noch blau. Der erste Gedanke: Wie schön es doch ist, frei zu sein für die Welt und ihr mit allen Erwartungen und Ängsten gegenüberzutreten.
Natürlich kann man aus dem Bunker einen touristischen Erlebnispark machen, man könnte darin auch ein Museum einrichten, das die unterirdischen Wege der Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert illuminiert. Doch auch wenn der Interessent ein brauchbares Nutzungskonzept vorlegen und das Bundesvermögensamt ihm den Bunker für eine symbolische Mark verkaufen würde, wäre der Mann anschliessend sofort pleite wegen der Kosten für die anfallenden Brandschutzmassnahmen. Vorsichtig geschätzt belaufen sie sich auf 100 Millionen Mark.
Nun wird der Bunker, da sich kein Käufer gefunden hat, mit ebenso vorsichtig geschätzten Kosten von 60 Millionen Mark «zurückgebaut». Alles, was auf kompliziertem und zeitaufwendigem Weg in ihn hineingebracht wurde, wird auf demselben komplizierten und zeitaufwendigen Weg wieder herausgebracht. Aus Umweltschutzgründen wird man sogar die Farben von den Wänden der endlosen Gänge kratzen müssen. Was bleibt am Ende vom Bunker übrig, frage ich Werner Czeratzki, ahnend, was es für ihn bedeutet, eine Arbeit begonnen und vollendet zu haben und sie jetzt wieder zerstören zu müssen. «Wahrscheinlich», antwortet er, «bleibt nichts als der blanke Tunnel.»
SWR
http://www.swr.de/kultur-suedwest/archiv/2000/11/10/p3.html
Sendung vom 10. November 2000, 23.15 h
»Codename "Rosengarten"«
Wo der Bundeskanzler den Atomschlag überlebt hätte
Autorin: Annette Poppenhäger (3sat)
Er war 40 Jahre streng geheim, ein Ausweichssitz für die
Verfassungsorgane des Bundes: der Bunker "Marienthal", 30km von Bonn
entfernt. In den 60er und 70er-Jahren wurde er im Auftrag der Regierung für
den Fall eines Atomkrieges gebaut. 110 Meter unter der Erde mit 25.000
Türen, Operationssaal, Zahnarztpraxis und Platz für 3000
Regierungsmitglieder.
1997 beschloss die Regierung, den Bunker aufzugeben. Die
Bundesvermögensverwaltung wurde mit der Verwertung der Liegenschaft
beauftragt, die letzten von 200 Bunker-Bediensteten werden versetzt.
General-Anzieger Bonn
http://www.general-anzeiger-bonn.de/news/2000/10/29/2000_10_29_21.html
http://www.general-anzeiger-bonn.de/news/2000/09/29/2000_09_29_08.html
(vom 29.10.2000)
In vier Jahren vom Bunker zur "blanken Röhre"
Rückbau des Ausweichsitzes der Verfassungsorgane in Marienthal beginnt 2001 - Fotograf dokumentiert das Bauwerk
Von Christoph Lüttgen
Bad Neuenahr-Ahrweiler. Mehr als 188 023 Quadratmeter erstreckt sich der Regierungsbunker zwischen Marienthal und Dernau. Der gewaltige Bau aus der Zeit des Kalten Krieges besteht aus einem unterirdischen Stollensystem mit einer Gesamtlänge von 19 000 Metern und verfügt unter anderem über 936 Schlafzellen, 897 Büros, jeweils fünf Großkantinen, Kommandozentralen und Sanitätsbauwerken sowie einer Druckerei und einem Friseursalon. Im Ernstfall sollte dieser zwischen 1960 und 1972 erbaute "Ausweichsitz der Verfassungsorgane des Bundes" 3 000 ausgewählten Personen das Überleben von 30 Tagen garantieren.
Die beeindruckenden Dimensionen brachten den Aachener Fotografen Andreas Magdanz dazu, den Regierungsbunker fotografisch zu erfassen, bevor im nächsten Jahr mit dessen Rückbau begonnen wird. In einem Zeitraum von sieben Monaten fertigte der 37 jährige etwa 1 000 Fotos von bestechender Qualität an. Davon fanden 100 Eingang in das Buch "Dienststelle Marienthal - Eine Gebäudetomographie", das er im Kabinettssaal des Bunkers vorstellte.
"In etwa einem Jahr wird mit dem Rückbau des Bunkers begonnen", meinte Thomas E. Hofmann von der Bundesvermögensabteilung der Oberfinanzdirektion Koblenz, die sich zwei Jahre lang vergeblich bemüht hatte, einen Käufer für die ungewöhnlichste aller Bundesimmobilien zu finden. Trotz 100 Anfragen und sechs konkreter Angebote gelang es nicht, "eine zukunftsträchtige zivile Anschlussnutzung des Bunkers zu finden".
Der letzte ernst zu nehmende Interessent war der niederländische Betreiber des "Kernwasser-Wunderlandes" in Kalkar, Hennie van der Moest. "Doch die Umsetzung der Brandschutzbestimmungen in Höhe von etwa 80 Millionen Mark und die Verpflichtung, im Falle des Falles selbst für den notwendigen Rückbau zu sorgen, erwiesen sich letztlich als unlösbares Problem", erklärte Hofmann. Überhaupt verursacht die Unterhaltung des unterirdischen Bauwerks riesige Kosten. Obwohl die Anlage nur noch zehn Stunden im Moment mit Licht versorgt beziehungsweise das Be- und Entlüftungssystem eingeschaltet werde, habe die jüngste Stromrechnung 25 000 Mark betragen.
Ziel der 60 Millionen Mark teuren und etwa fünf Jahre dauernden Rückbauarbeiten ist die "blanke Röhre". Konkret: Die Bunkerstollen werden vollständig entleert. Von Hand müssen 480 000 Quadratmeter Wandfläche von Farbe befreit werden, so dass nichts außer nacktem Beton im Berg zurückbleibt. Danach werden sich täglich 100 Kubikmeter Bergwasser in dem Bunker sammeln. Wasser, dass von der Bunkerbelüftung zurzeit noch zurückgehalten wird. Deshalb darf nichts zurückbleiben, was im Wasser gelöst und als Schadstoff ausgeschwemmt werden könnte. Insgesamt werden 580 Kilometer Kabel und Leitungen zerlegt, 1 000 Tonnen Bauschutt und 720 Tonnen Schrott anfallen. Während der Bauzeit wird ein erheblicher Lkw-Verkehr enstehen. "Um den kleinen Weinorten an der Ahr allzuviel Lärm zu ersparen, wird eigens eine Baustraße vom Bunker zur Autobahn errichtet", berichtet Hofmann.
General-Anzeiger Bonn 18.07.2000
http://www.general-anzeiger-bonn.de/news/2000/07/18/2000_07_18_05.html
Weder Geldspeicher noch Pilzkeller
Geheimstes Bauwerk der Republik wird endgültig geschlossen - Rückbau
wird 60 Millionen Mark kosten
Marienthal. (dpa) Zahlreiche Nutzungsträume sind ausgeträumt. Weinkeller,
Geldspeicher, Museum, Freizeitpark, Großrechenzentrum, Volksarchiv,
Pilzzuchtkeller: Nichts davon wird in eines der teuersten, seltsamsten und
geheimsten Bauwerke der Republik einziehen. Der Bund will den ehemaligen
Regierungsbunker beim Eifelort Marienthal mit einer Investition von rund
60 Millionen Mark endgültig schließen und entkernen. Die Gespräche mit
etlichen Investoren über eine mögliche anderweitige Nutzung hätten zu keiner
Lösung geführt, teilte die Bundesvermögensverwaltung in Koblenz mit. Und ohne
einen "Rückbau" könnte eindringendes Grundwasser Schadstoffe aus den
19 Kilometer langem Tunnellabyrinth herausschwemmen.
Tunnellabyrinth unter
Rotweinhängen: Der
Regierungsbunker an
der Ahr hat endgültig
ausgedient. Foto: dpa
Als letzter ernsthafter
Interessent hatte der
niederländische
Unternehmer Hennie
van der Most in den
Felsmassiven des
Ahrtals den Bau eines
unterirdischen Freizeit-
und Kongresszentrums geplant. Der ehemalige Schrotthändler hatte vor einigen
Jahren mit der Umwandlung des "Schnellen Brüters" in ein
"Kernwasserwunderland" in Kalkar am Niederrhein Aufsehen erregt. Doch in den
Tiefen der Eifel schreckte er vor den hohen Brandschutz-Auflagen zurück.
Der Landrat des Landkreises Ahrweiler, Jürgen Pföhler (CDU), wollte die
Entscheidung der Bundesvermögensverwaltung vorerst nicht kommentieren.
Seine Erste Kreisbeigeordnete, Ingrid Näkel-Surges (CDU), hatte vor mehreren
Monaten gesagt: "Das täte mir richtig weh, wenn diese Anlage geschlossen
würde." Spätere Generationen würden das kaum verstehen. "Hier hätten wir den
Schülern prima den Kalten Krieg erklären können."
Die Bunkerwelt besteht aus 897 Büro- und Konferenzräumen, 936 Schlafzellen,
fünf Großküchen und Kantinen für je 600 Menschen, abhörsicheren
Sitzungssälen, einer Kommunikationszentrale, Werkstätten, Brunnen sowie fünf
Heizungs- und Lüftungsanlagen. Gegliedert ist die Anlage zwischen Ahrweiler
und Dernau in fünf völlig autarke Bauteile, die im Notfall voneinander abgekoppelt
werden können. Der Standard entspricht dem einer Kaserne: Selbst die höchsten
Repräsentanten des Staates hätten mit Feldbetten vorlieb nehmen müssen.
Allein der Bau der 1972 fertig gestellten "Dienststelle Marienthal" verschlang rund
500 Millionen Mark. Die Folgekosten betrugen jährlich etwa 20 Millionen Mark.
Dann fiel die Mauer, die Angst vorm Kalten Krieg verflüchtigte sich. Im Dezember
1997 beschloss das Bundeskabinett, den "Ausweichsitz der Verfassungsorgane
des Bundes" aufzugeben. Die Bundesvermögensverwaltung verschickte etwa
80 Baubeschreibungen und Videos an in- und ausländische Kaufinteressenten.
Mit der Schließung des Bunkers findet eine überaus abwechslungsreiche
Baugeschichte ihren Abschluss. Bereits vor dem Ersten Weltkrieg waren die
beiden Haupttunnel für eine "Strategische Eisenbahn" zum damaligen Erbfeind
Frankreich in den Schieferfelsen gesprengt worden. Nach 1918 untersagte der
Versailler Vertrag wegen der möglichen militärischen Nutzung die Fertigstellung
der Bahnlinie.
Während des Zweiten Weltkriegs montierten KZ-Häftlinge in den Tunnels
Triebwerke für V 2-Raketen und Panzerersatzteile. Gegen Kriegsende flüchteten
sich die Anwohner in die Unterwelt - sie galt schon damals als bombensicher.
Dann nutzte sie das Technische Hilfswerk (THW) für Übungen. In den 60-er
Jahren sorgte eine weit verbreitete Atomangst dafür, dass unter dem
Rotweingebiet eine ganze Kleinstadt entstand, vollständig gegen äußere
Einflüsse verschließbar. Rund 3 000 Menschen sollten hier im Fall der Fälle bis
zu 30 Tagen Platz finden: unter anderem der Bundespräsident, der
Bundeskanzler, seine Regierung, das Bundesverfassungsgericht sowie die
Spitzen von Bundesbank und Bundeswehr.
Von 1966 bis Frühling 1989 wurde im Ahrbunker meist alle zwei Jahre unbemerkt
von der Öffentlichkeit der "Dritte Weltkrieg" geprobt. Alle Teilnehmer mussten
eine Erklärung unterschreiben, selbst dem Ehepartner nie etwas vom Geschehen
unter Tage zu erzählen.
(18.07.2000)
Nirgend wo ist auch ein Ort
Eine Reise in den Atombunker der Bundesregierung
von Christian Linder
Deutschland Radio
7.4.2000 19:15
Eine Reise in den Atombunker der Bundesregierung
Christian Lindner
Dreißig Jahre lang war der nahe Bonn im Ahrtal gelegene Atombunker der geheimnisvollste und bestgehütete Ort in der Bundesrepublik. Seit dem Beschluss, dass Parlament und Regierung nach Berlin umziehen, hat der Bunker als "Ausweichsitz der Verfassungsorgane des Bundes im Krisen- und Verteidigungsfall" ausgedient. Die unterirdische Stadt ist 83 km² groß. Wer sich in ihren engen Gängen bewegt, kann einen Weg von 19 km zurücklegen. Die Anlage sei, haben die Bunkerbauer versichert, "vollständig gegen äußere Einflüsse verschließbar". Mindestens dreißig Tage hätten etwa 3000 Leute autark, ohne Kontakt mit der Außenwelt überleben und regieren können. Für den "Krisen- und Verteidigungsfall" konstruiert, ist der gigantische Bunker sozusagen die Innenwelt eines Alptraums. Christian Linder hat das unterirdische Labyrinth durchwandert, in dem einst der Ernstfall geprobt wurde.
Das Erste Online
http://www.wdr.de/tv/bilderbuch/20000227/bild3.html
27. Feb. 2000
WDR | Sonntag 27.2.2000 | 13:45
Bonn - Die einstige Hauptstadt zwischen Abschied und Aufbruch
Ein Film von Tilman Jens
Versteckt in den Weinbergen der Ahr findet sich ein weiteres Relikt der
Bonner Republik. Über drei Kilometer weit ins Erdreich getrieben, sollte
der "Regierungsbunker" im Falle eines Atomkriegs als "Ausweichsitz der
Verfassungsorgane des Bundes" dienen. 3.000 Menschen hätten hier
Zuflucht gefunden. Erst im Dezember 1997 hat das Bundeskabinett die
Schließung des Bunkers verfügt.
Bundesgrenzschutz Jahresbericht 1999
(herausgegeben durch das Bundesministerium des Innern)
http://www.bundesgrenzschutz.de/allgem/oep_arbeit/jahresberichte/jbericht99/jb98main.htm
4. Schutz von Bundesorganen
Der Bundesgrenzschutz schützt nach § 5 des BGSG im Einvernehmen mit den Ländern Berlin (in der
Bundeshauptstadt), Nordrhein-Westfalen (in Bonn) und Baden-Württemberg (in Karlsruhe) die aus polizeilicher Sicht
schutzbedürftigsten Verfassungsorgane des Bundes und Bundesministerien gegen Störungen und Gefahren, die die
Durchführung ihrer Aufgaben beeinträchtigen.
Im einzelnen waren dies in 1998:
in Bonn
das Bundespräsidialamt
das Bundeskanzleramt
das Auswärtige Amt einschließlich der Gästehäuser Petersberg und Venusberg
das Bundesministerium des Innern
das Bundesministerium der Justiz
das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz u. Reaktorsicherheit
das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung u. Technologie
das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
der Ausweichsitz der Bundesregierung
....................
Radio Bremen
http://www.radiobremen.de/rb2/studio/s990811.htm
11.08.1999
............soll nun offensichtlich auch im Fall des Kulturgutschutzes zusammenwachsen, was
zusammen gehört. Vorerst lagert der DDR-Bestand pikanterweise im Bonner
Regierungsbunker bei Ahrweiler in der Eifel. Von hier aus wird das Material dann von
Acetat-Film, wie es in der DDR üblich war, auf Polyester-Film, wie er in der
Bundesrepublik benutzt wird, umkopiert. Acetat-Film hält 300 Jahre, Polyester-Film 1000
Jahre. Aber die DDR hat ja auch nur 40 Jahre gehalten. ......
STE NIELSEN I Ausgabe: 23
02-06-1999 Christian Litz*
BUNKER ZU VERGEBEN
Er hat 83000 qm Nutzfläche, 936 Schlafräume, fünf Krankenhäuser, einen Friseur - doch niemand will die frühere Fluchtburg der Bundesregierung haben. Nicht mal geschenkt. Ein enger, schlauchartiger Gang. Gerade. Neonhell. Giftgrün. Die Decke bogenförmig,an der höchsten Stelle etwa 2,20 Meter hoch. Die Wände voller Kabel, Feuerlöscher, Lautsprecher und Kameras. Ein Blick kilometerweit ins flimmernde, unwirkliche Nichts, tief drunten in der Eifel. Es gibt schier endlos lange Gänge hier, hundert Meter unter der Erdoberfläche, hineingebaut ins Schiefergestein. Schiefer ist der ideale Stein für Bunker.
Er gewährleistet den besten Schutz - auch bei Nuklearschlägen. Es gibt viele Querverbindungen hier unten, einige mit Kurven. Ein Labyrinth auf zwei Stockwerken.
Man braucht Werner Czeratzki, 64, um rauszukommen.
Seit 1997 rechnet die Bundesregierung nicht mehr mit einem Atomkrieg, will den Bunker loswerden. Czeratzki soll dabei helfen. Eine schwere Aufgabe, denn der Bunker habe die Bundesrepublik etwa drei Milliarden Mark gekostet, sagt er. Dazu kamen Unterhalt und Personalkosten seit 1965. Zuletzt verschlang der Bau zirka 25 Millionen Mark im Jahr. Niemand will das Relikt des Kalten Krieges. Nicht mal geschenkt, weil der Unterhalt so teuer ist: Allein Strom für mindestens 60000 Mark monatlich frißt der Grundbetrieb - ohne Bewohner. Damit ist er zu teuer für ein Abenteuerhotel, für Erlebnisgastronomie oder für ein Müllager.
Sechzehn Gebote liegen vor, viele Interessenten, auch der japanischen Millionär und die amerikanischen Spinner, haben nach kurzer Rechnerei nein gesagt. Wahrscheinlich läßt der deutsche Staat die Eingänge bald zubetonieren. Was Czeratzki traurig machen würde. Dreißig Jahre war er zur absoluten Verschwiegenheit verpflichtet. Ein mit seiner Familie vom Verfassungsschutz ständig überprüfter Geheimnisträger. Als Ingenieur dafür zuständig, daß beim Atomkrieg im Bunker Luft und Wasser sauber, daß Strom da und die Tore dicht gewesen wären.
Es ist kalt im Berg, Czeratzki trägt eine gefütterte Jacke. Über der linken Schulter hat der Regierungsoberamtsrat eine gelbe Plastiktasche mit Rauchmaske hängen. Was wäre gewesen, wenn? Oben sieht bereits eine ganze Generation die Worte 'Kalter Krieg' als Historie. Doch in diesem Berg lebt der Horror noch. Laut Szenario hätten in der einsamen Sicherheit überlebt: der Bundespräsident, der Kanzler, das Kabinett, der Bundestag, das Bundesverfassungsgericht aus Karlsruhe, die Spitzen der Bundesbank und der Bundeswehr. Wer nun mal so alles wichtig gewesen wäre nach dem Untergang der Welt, wie wir sie kennen. Wer nach 30 Tagen an die Oberfläche kommt, hat viel höhere Überlebenschancen, kann noch lange regieren und verwalten.
Wen und was auch immer.
Dreißig Tage Luft für 3000 Menschen. Genug Wasser, auch für die Zierfische, kleine bunte Guppies, im Aquarium des Kontrollraums Ost. Oben hätte es Hunderttausende Tote und Verseuchte gegeben, unten wäre es ein wenig eng geworden. Die Stadt unter der Erde besteht aus selbständigen Teilen, die jeweils 600 Menschen Platz bieten. Verbindungen der Bunkerflügel liegen 60 Meter tief, lassen sich in Sekunden sperren. Falls ein Flügel verstrahlt ist, existieren die Bewohner der anderen Teile weiter.180 Fahrräder stehen geputzt in den Ständern der zwei Bunker-Fahrradräume. 180 Beamte sorgten im Schichtbetrieb dafür, daß in kürzester Zeit das Land von hier aus hätte regiert werden können. Zahlen begeistern Werner Czeratzki: 19 Kilometer Tunnel, 83000 Quadratmeter Nutzfläche. 936 Schlafräume, 897 Büros, eine Druckerei, ein Friseursalon, fünf Kantinen, eine Tischtennisplatte, fünf Kommandozentralen, ein Ständer mit Broschüren des Beamtenbundes, zuständig für die Bunkerbelegschaft, fünf Krankenhäuser, 25000 Türen und dicke, richtig dichte Tore, riesige Steinrollen, die mit Druckluft in die Öffnung gesetzt werden.
Einige der Stollen im Berg haben Geschichte, wurden als Eisenbahntunnel geplant, im Zweiten Weltkrieg jedoch anders genutzt: Zwangsarbeiter mußten hier V2-Raketenmontieren. Der Bau des Regierungsbunkers begann 1960, fünf Jahre später war das erste Teil fertig.
Bis in die späten siebziger Jahre wurde er vergrößert und verbessert. Alle zwei Jahre wurde der Ernstfall geübt in den Wänden aus dem damals bestmöglichen Stahlbeton, 60 Zentimeter dick, umgeben von Bitumen und Glasfaser. Für jeden lagen Rauchmaske und Taschenlampe bereit, stand ein Feldbett mit Bundeswehrmatraze zur Verfügung. Seelischen Beistand hätte es für die Christen im Berg gegeben: Einer der engen Räume war für ökumenische Gottesdienste eines Militärkaplans vorbereitet.
Bauwerk 6, Raum 08: Hier hätte der Kanzler gelebt. Zwei mal drei Meter, LinoleumBoden, die Wände mit schall-schluckendem, gelochtem grünen Metall verkleidet. Ein Feldbett, ein Spind mit zwei Bügeln. Das Telefon steht auf dem Tisch, drei Rufnummern sind gespeichert, 'Zi 9', 'Zi 9b' und 'Zi 10': das Kanzleramt, die drei Räume auf der Linken. Auf der anderen Seite liegt des Kanzlers Mini-Bad. Sieht aus wie im Asylbewerberheim. Die Dusche hat etwa einen halben Quadratmeter Fläche. Um den üblichen Fragen zuvorzukommen, sagt Czeratzki: 'Kanzler Kohl war nie hier drin, bei den Übungen gab es einen Ü-Kanzler. Ü steht für Übung.' Er sagt das, weil Kohl nie in die Dusche gepaßt hätte. Czeratzki taut auf: Der Bunker sei Beweis für Westdeutschlands wahrhafte Demokratie.
'Ich hab' mir Bunker in Ostdeutschland angeschaut, mit holzgetäfelten Honecker-Räumen, reinster Luxus. Hier im Bunker wären alle gleich gewesen.' Dann greift er in den Kanzler-Spind, holt einen Besen raus. 'Jeder hätte hier seinen Raum selber saubermachen müssen. Jeder!
Ganz demokratisch.'
3000 überleben, der Rest nicht - ist das demokratisch? Darüber will er nicht sprechen, nicht nachdenken. 'Rein philosophische Frage.' Dafür war er nie zuständig. In den Kantinen wären in den Anfangstagen des Atomkriegs noch aktuelle Zeitschriften verkauft worden. Alkohol hätte es gegeben, natürlich gegen Bezahlung. Alles wäre korrekt abgelaufen.
Vorbei. Auch die Bundeswehr holt ihr Zeug nach und nach ab. In den Lagerräumen hängen noch Landkarten auf deckenhohen Schiebetafeln. 'Sowjetische Besatzungszone', steht da. Und 'Gebiete unter fremder Verwaltung'. Damit sind Teile Polens gemeint. An der Wand ein Metallschrank, voll magnetischer Panzer-, Flugzeug-, Hubschrauberbuttons, dazu große und kleine Pfeile in verschiedenen Farben für die Truppenbewegungen oben in der Welt.Alles hätte funktioniert. Da ist sich Czeratzki sicher. Ein Mann vom Roten Kreuz hatte vorhin, noch keine 15 Meter im Berg, einen klaustrophobischen Anfall. Sollte Feldbetten anschauen, die könnte das DRK vielleicht brauchen. Mußte schnell rausgebracht werden.Atomkrieg und Platzangst. Was wäre passiert? 'Kein Problem', Czeratzki geht weiter in den Berg, 'Schleusen'. Schleusen? 'Ja, Schleusen', und erklärt noch ein paar hundert Meter weiter:Die panische Person wird vor ein Tor gesetzt. Dieses schließt, dann geht das Außentor auf.
Das Problem wäre draußen in der Welt.....................
CHRISTIAN LITZ
Bauwelt 1999 13
http://www.bauwelt.baunetz.de/BauNetz/bauwelt/bw_99_13/10202c__.htm
Kirche, Rathaus und Markt. Das waren die drei zentralen Orte einer Stadt. Sie standen für mehr als nur „Dienstleistung“, sie waren Symbole der geistlichen Macht, der weltlichen Macht und der Macht des Geldes. Kirchtürme und Rathaustürme bestimmten die Stadtveduten, die einen meist höher und zahlreicher, die anderen dafür von unübersehbarem Stolz. Mit dem Bedeutungsverlust von Glocken und Turmuhren für das öffentliche Leben kamen auch die Türme selbst außer Mode. Die Kirchen gaben ihre jahrhundertealten Traditionen auf und schlüpften in vielerlei Gewänder, falls dennoch mit Turm, dann mit einem abgemagerten Glockenstützgerüst. Aus stolzen Rathäusern wurden anonyme Büro-Areale, leicht zu verwechseln mit Schulen oder Versicherungshauptverwaltungen. Die Märkte schließlich verschwanden im Shopping-Center mit Autobahnanschluß.
Ein Heft über Rathäuser rechtfertigt sich also nur, wenn es einige der seltenen Versuche zeigt, wie das Selbstverständnis einer Gemeinde und ihrer kommunalen Vertreter an repräsentativem Ort durch Architektur ausgedrückt werden kann. Gelungen ist das - in unterschiedlicher Größenordnung und mit unterschiedlichen Mitteln - im südspanischen Murcia, in der 1000-Seelen-Gemeinde Lengdorf in Oberbayern und der Streusiedlung Jona im Peripherie-Gürtel Zürichs, jeweils mit drei mutigen Identifikationen. anz im Gegensatz zur Regierung der Bundesrepublik Deutschland. Diese versuchte, unsichtbar zu werden, abzutauchen in absolut unzugängliche Räume, die mit dem Begriff Architektur nur unter umgekehrten Vorzeichen zu beschreiben sind. Nun, da die geheime „Dienststelle Marienthal“ ihre Funktion verloren hat, weil mit einem atomaren Überfall nicht mehr täglich zu rechnen ist und die „Verfassungsorgane des Bundes“ im Begriff sind, ostwärts zu ziehen, nun, im Jahr 28 nach Fertigstellung des Regierungsbunkers in der Eifel, ist daraus eine fünf Milliarden Mark teure, 19 Kilometer lange Immobilie geworden, die die Bundesvermögensverwaltung zu veräußern gehalten ist und auf der sie wohl sitzenbleiben wird
http://www.bauwelt.baunetz.de/BauNetz/bauwelt/bw_99_13/170484c_.htm
Als die Bundesrepublik der Nato beitrat, bekam sie die Auflage, einen sicheren Regierungsbunker zu bauen. In Marienthal gab es bereits einen langen Tunnel. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs hatten hier Gefangene der Außenstelle Rebstock des
Konzentrationslagers Buchenwald unter Aufsicht der SS V2Raketenhergestellt. Daneben befanden sich einige kleinere Stollen, die den Zivilisten der Gegend als Luftschutzräume gedient hatten.1960 wurde mit dem Bunkerbau begonnen, der Ostteil war 1965 fertig, der Westteil 1972. Seit Mitte der sechziger Jahre gab es alle zwei Jahre Übungen. Für den Bunker wurde der damals bestmögliche Beton, B 300, verwendet, mehr Eisen als Beton, 60 Zentimeter dick, drumherum eine Glasfaserhülle und eine Bitumenschicht. Die Bundesbauordnung galt hier nicht. Architekten waren an der Planung nie beteiligt, das machten die Ingenieure der Bundesbaudirektion selber.
Der Bunker ist eine Stadt mit fünf autarken Bezirken, die sich sehr ähneln. Ein Mittelgang, mehrere Parallelgänge, kleine Räume links und rechts. Unter den Gängen Bilgen, vollgestopft mit Rohren. Auf Plänen ist zu sehen, daß ein Gang im Ostteil des Berges einfach Richtung Westen gespiegelt wurde. In jedes Fünftel hätten 600 Leute gepaßt, jedes hat einen Speisesaal, in dem es aktuelle Zeitschriften zu kaufen gegeben hätte. Bei einem Atomkrieg wären die aber nicht aktualisiert worden - aus leicht nachvollziehbaren Gründen.
eder Bunkerteil hat eine Klinik mit Chirurgie und Apotheke. Alle Räume sind klein, es gibt keine Säle. In 60 Meter Tiefe sind die fünf Teile verbunden, aber in Sekunden hätte man einen davon verabschieden, die Tore für immer schließen können. Jedes der Fünftel hat eine Großküche, einen Kontrollraum, Unterkünfte, Tanks, Klimatechnik und Luftfilter. Es hätte dreißig Tage alleine vor sich hin vegetieren können.
Trotz seiner Größe ist es im Bunker eng. Die Menschen hätten in Vierbettzimmern geschlafen, zwei Doppelstockbetten, ein Tisch, vier Stühle, vier Spinde, mehr nicht. Alle Räume wirken wie in einer Asylbewerberbaracke. Auch das Kanzlerschlafzimmer hat keinerlei Charme: Raum 08 im Bauwerk 06 ist vier auf zwei Meter. Ein Spind, ein Stuhl, ein Feldbett, ein helles Telefon auf dem grünen Boden. Das rote und das blaue wurde bereits entfernt. Des Kanzlers Dusche ist extrem klein. Der Bundespräsident hingegen hätte eine kurze Badewanne gehabt. Das Kanzleramt sind drei Miniräume. Kanzler und Präsident waren nie drin, bei Übungen kam ein Ü-Kanzler und ein Ü-Präsident. Ü steht für Übung. Die Räume sind 2,10 Meter hoch, der Boden ist Linoleum, grau-blau, meist aber grau-grün, die Wände teilweise aus dunkelgrünem gelochtem Metall. Es gibt einige wenige Räume, deren Decke 2,60 Meter hoch ist. Meist sind das die Konferenzräume. Ein richtiger Ken-Adams-War-Room fehlt. Alles ist klein hier unten, selbst der Raum, in dem ein Militärseelsorger ökumenische Gottesdienste gehalten hätte.
Kreis AW online:
http://www.kreis.aw-online.de/PAR/1999/1999_01_28.3.htm
28.01.1999
Weiler unterstützt Wirz-Vorschlag
Bunker als Münzlager nutzen - Schreiben an Lafontaine, Duisenberg und Tietmeyer
Den Vorschlag des Landtagsabgeordneten und Kreisbeigeordneten Walter Wirz zur Nutzung des Regierungsbunkers Marienthal als zentralen Lagerplatz für
DM- und EURO-Münzen hat jetzt Landrat Joachim Weiler offiziell unterstützt. In vier Schreiben an Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine, den Präsidenten der
Europäischen Zentralbank in Frankfurt, Willem F. Duisenberg, den Präsidenten der Deutschen Bundesbank in Frankfurt, Professor Dr. Hans Tietmeyer, sowie
den Präsidenten der für die Verwertung der Marienthaler Anlage zuständigen Oberfinanzdirektion Koblenz, Konrad Laube, führt Weiler mehrere Argumente an.
Der ehemalige Ausweichsitz der Verfassungsorgane im Ahrtal sei zentral gelegen, entspreche allen Sicherheitsanforderungen, biete mit 83.000 Quadratmetern
Nutzfläche eine hohe Platzkapazität und schaffe die Möglichkeit, auf eine kostenträchtige Verteilung der Münzen auf mehrere Standorte zu verzichten. Die
Lagerung des alten und neuen Geldschatzes, der für die Bundesbank ein großes logistisches Problem darstelle, solle für eine Nachfolgenutzung des
Regierungsbunkers in Betracht gezogen werden, fordern Weiler und Wirz.
© Kreisverwaltung Ahrweiler - 28.01.1999
www.schule.bremen.de:
http://www.schule.bremen.de/schulen/SVL/fenster/fenster11/Zeitgeschehen2.html
12 1998
Teuerstes Gebäude der BRD wird stillgelegt
Südlich von Bonn wurde zu Zeiten Konrad Adenauers (CDU) 1961 mit dem Bau des wohl teuersten Gebäudes der Bundesrepublik Deutschland, dem atombombensicheren "Regierungsbunker", begonnen und zehn Jahre daran gearbeitet. Weit über fünf Milliarden Mark hatte der Bunker gekostet. Er sollte bei einem Atomangriff ca.3000 auserwählten Personen Schutz bieten (ca. 1,7 Mio. DM Baukosten pro Person). Die Vorräte in den Lagern und das Dieselöl für die Generatoren waren für einen Krisenzeitraum von zwei Jahren ausgelegt.
Bis 1989 fanden dann alle 2 Jahre zweiwöchige Bunkerübungen statt. Ein Übungskabinett überprüfte mit den anderen NATO-Partnern von den USA bis zur Türkei alle Vorkehrungen für den Krisenfall. Seit dieser Zeit ist der Bunker nahezu stillgelegt. Die Wartungsarbeiten, die jährlich mit mindestens 10 Millionen Mark veranschlagt werden, führen Zivilbedienstete aus.
Noch 1995 verkündete laut DIE WELT vom 20.9.1995 damalige Bundesinnenminister Kanther (CDU), es sollen in den nächsten 10 Jahren 200 Millionen Mark in den Bunker investiert werden: 14,5 Millionen Mark 1996 Renovierungskosten und in den folgenden 10 Jahren weitere 186,9 Millionen Mark (Wartung, Brandschutz, Küchen- und Sanitäranlagen usw.)
Im September 1997 berichtete die Berliner Morgenpost über erhebliche Mängel bei einer Brandschutzprüfung, deren Instandsetzung für den Ernstfall mit 177 Mio. DM veranschlagt wurde.
Am 11. Februar 1998 teilte dann der damalige Bundesinnenminister Manfred Kanther dem Innenausschuss mit, dass der "Regierungsbunker" nach dem Willen des Bundeskabinetts geschlossen werde. Grund für die Stilllegung seien gravierende Brandschutzmängel, die einen weiteren Aufenthalt in der Anlage verbieten würden. Außerdem hätten Untersuchungen ergeben, dass die technische Ausrüstung, insbesondere die Lüftungs- und Klimatechnik, völlig veraltet sei. Damit sei - so Kanther - die Anlage in ihrem jetzigen Zustand nicht funktionsfähig. Angesichts der hohen Sanierungskosten und unter Berücksichtigung der verbesserten sicherheitspolitischen Lage in Europa beschloss die Ex - Bundesregierung unter Helmuth Kohl, die Anlage zu schließen. Ob im Zusammenhang mit dem Wechsel des Regierungssitzes nach Berlin der Bau eines Ersatzbunkers geplant ist, ist noch nicht entschieden.
Laut Berichten des Pressezentrums in Bonn sind von der Schließung des Bunkers 174 Mitarbeiter betroffen. Das technische Personal soll im Zuge der Schließungsarbeiten in die notwendigen Entsorgungs- und Rückbauarbeiten soweit wie möglich und vertretbar mit einbezogen werden.
Rheinzeitung Koblenz 23.10.1998:
http://rhein-zeitung.de/on/98/10/23/magazin/news/zdfilm.html
"Der dritte Weltkrieg" als Dokumentation aus der Zukunft
Eine Simulation des Todes
Bonn - Fast zehn Jahre nach dem Ende des Ost-West-Konflikts will das ZDF eine Antwort auf eine oft gestellte Frage geben: Was wäre passiert, wenn 1990 der sowjetische Präsident Michail Gorbatschow gestürzt worden wäre und ein skrupelloser russischer General die Macht an sich gerissen hätte?
Die Antwort ist eine Horrorvision: Ein blutiger Krieg zwischen Nato und Warschauer Pakt, der in einem Atomschlag der beiden Supermächte endet. Das ist zumindest die laut ZDF "sehr realistische" Erkenntnis der deutsch-amerikanischen Filmproduktion "Der dritte Weltkrieg", die der Sender am 1. Dezember um 20.15 Uhr ausstrahlen wird.
Präsentation im Regierungsbunker 100 Meter unter der Erde
Filmautoren Ingo Helm, der Amerikaner Robert Stone und Produzent Ulrich Lenze (von r nach l) |
Weltkrieg und Ost-West-Konflikt wären Stoff genug für einen Spielfilm gewesen - doch den wollten Regisseur Robert Stone und Autor Ingo Helm nicht drehen. Statt dessen machten sie einen Film, der wie eine Dokumentation aus der Zukunft anmutet. Sie sammelten Original-Fernsehbilder aus den Jahren 1989 bis 1991, rissen sie aus dem Zusammenhang und schnitten daraus eine 90minütige Collage. Nur wenige Szenen stellten sie mit Schauspielern nach.
Was dabei herauskam, soll bei den Zuschauern für Beklemmung sorgen: "Es ist eine Simulation, die zeigt, was uns erspart geblieben ist", sagte Guido Knopp, Leiter der ZDF-Redaktion Geschichte. Für die Premiere hatte sich das ZDF einen passenden Ort ausgesucht: Den ehemaligen Regierungsbunker im Eifeldörfchen Marienthal, in den sich im Kriegsfall Bundesregierung und Bundestag zurückgezogen hätten - 100 Meter unter der Erde.
"Es hätte sich alles so abspielen können"
In "Der Dritte Weltkrieg" kommt der fiktive russische General Wladimir Soschkin 1990 an die Macht und steuert die Sowjetunion auf Konfrontation. Die Revolutionen in Osteuropa werden blutig niedergeschlagen, Berlin wird von den Sowjets blockiert. Der Westen ist entsetzt und droht mit Krieg. Soschkin ist der erste, der in Panik auf den Roten Knopf drückt.
"Simulation, die zeigt, was uns erspart geblieben ist": Guido Knopp, Leiter der ZDF-Redaktion Geschichte, und Regisseur Robert Stone, re hinten, im Bunker Marienthal bei Bad Neuenahr |
"Es hätte sich alles so abspielen können", betont Regisseur Stone. Um die Eskalation des Ost-West-Konfliktes möglichst realistisch darzustellen, ließ er sich von Militärs beraten und verwendete Material aus Übungs- und Propagandafilmen der US-Streitkräfte oder der Roten Armee. Der Film zeigt in kurzen Szenen Bundeskanzler Helmut Kohl und den früheren amerikanischen Präsidenten George Bush, wie beide den fiktiven Parteichef Wladimir Soschkin warnen. Stone: "Die Bilder stammen aus der Zeit vor dem Golfkrieg. Wir haben sie passend geschnitten." Zu den wenigen Schauspielern zählen ZDF-Korrespondenten wie Gustav Trampe und Dirk Sager, die in den Nachrichtensendungen aufgeregt aus Washington und Moskau berichten.
"Besser schätzen, was der friedliche Wandel gebracht hat"
Damit soll der Film so wirklichkeitsnah sein, daß dem Zuschauer angst und bange wird. "Vielleicht kann der Film dazu beitragen, daß wir dankbar sind und besser schätzen, was der friedliche Wandel gebracht hat", sagt ZDF-Chefredakteur Klaus Bresser. Auf die Darstellung von einzelnen Schicksalen haben Stone und Helm bewußt verzichtet - das vermeintlich Dokumentarische sollte im Mittelpunkt stehen. "In einem Krieg hätte es wohl niemanden mehr gegeben, der darüber mit der Kamera berichten kann", sagt Helm. Und daher könne dem Film auch nicht vorgeworfen werden, nur eine reine Kriegsdarstellung zu sein.
Bert Fröndhoff, AP
Geändert am 23. Oktober 1998 14:03 von totilt-Heft 01 98
http://www.denk-stein.com/tilt/hefte/tilt9801/regierun.htm
Regierungsbunker: Wegen Feindbildaufgabe geschlossen
Unterirdische Kanzlerbetten zu Champignonbeeten?
Wir versaufen unsrer Bonzen ihr klein Bunker …
Naja, wenn das so einfach wäre. Erstens ist das Ding gar nicht so klein, und zweitens ist da nicht viel zu versaufen. Die Herren Bonzen möchten ihren Schutzraum, in den sie sich im Falle des Atomknalls zurückziehen wollten, ja selbst gern loswerden – wegen Geldmangels.
Der Regierungsbunker mit der offiziellen Bezeichnung »Ausweichsitz der Verfassungsorgane des Bundes« und dem Tarnnamen »Dienststelle Marienthal« im Ahrtal bei Bonn wird dichtgemacht. Der Dernauer Atombunker entspreche nicht mehr dem Stand der Technik, teilte das Innenministerium dazu mit. Eine umfassende Renovierung würde mehr als 100 Millionen Mark kosten und zehn Jahre dauern. Unter Berücksichtigung der aktuellen Sicherheitslage sei die Anlage entbehrlich, findet das Innenministerium.
Das dicke Ding war in den 60er Jahren für fünf Milliarden Mark gebaut worden. 20 Kilometer südlich von Bonn sollten im Kriegsfall 3000 ausgewählte Personen im 30-Kilometer-Tunnelnetz Platz finden. Zu den besonders schützenswerten Personen gehörte ein Notparlament aus 22 Bundestagsabgeordneten und 11 Bundesratsvertretern, das Verfassungsgericht und – natürlich – die Regierung.
Die Ausstattung des Bunkers war eher spartanisch. Selbst für den Kanzler sei nur ein Feldbett vorgesehen, plauderten einst die Grünen aus. »Da kann man unseren Kanzler nicht reinlegen«, fand der grüne Innenexperte Manfred Such. Die Anlage habe noch nicht einmal den Standard einer Jugendherberge. Dafür hätten die Regierungsmitglieder aber Gerüchten zufolge unterirdisch von Bonn aus in den Bunker gelangen können. Ansonsten waren Details über den Tunnelbau geheim; alle Teilnehmer der dort regelmäßig stattfindenden Übungen zum Dritten Weltkrieg mußten die Verpflichtung unterschreiben, selbst Ehepartnern nichts über das zweiwöchige Leben unter Tage zu berichten. Nicht selten kam es unter den Eingepferchten zu Nervenzusammenbrüchen und depressiven Phasen. Und was die Mächtigen von dort aus nach ein Atomschlag noch zu verwalten gehabt hätten außer sich selbst, war ohnehin niemandem klar. Noch 1987 bei ein Wintex/Cimex-Manöver hatte die Friedensbewegung zu einem »Tag der offenen Tür am Regierungsbunker« aufgerufen und in Dernau demonstriert.
Unklar bleibt, ob die Mächtigen demnächst im Schutze der Geheimhaltung bei Berlin ihr unterirdisches Hauptquartier für den Ernstfall aufschlagen wollen. Für den Ahrbunker hat jedenfalls hat Manfred Such ein Nutzungskonzept parat. Man könne dort ja, fand der Polizist, Champignons züchten.
Thomas Schüsslin
Dieser Text wurde der tilt-Ausgabe 1/98 entnommen.
Magazin für Zivil- und Katastrophenschutz 1/98
Ausweichsitz wird geschlossen
Nach einer Presseinformation des Bundesministeriums des Innern hat das Bundeskabinett in der Sitzung am 9. Dezember 1997 beschlossen, den Ausweichsitz
der Verfassungsorgane des Bundes in Marienthal zu schließen.
Die Anlage entspricht nicht mehr dem heutigen Stand der Technik; das gilt insbesondere für den Brandschutz. Eine baufachliche Untersuchung hat ergeben, daß
trotz baulicher Verringerung des Objekts bei einer umfassenden Renovierung der technischen Einrichtung mindestens 93 Mio. DM aufgewendet werden müßten.
Eine Sanierung der Anlage würde mindestens zehn Jahre in Anspruch nehmen.
Unter Berücksichtigung der gegenwärtigen sicherheitspolitischen Lage und der Kosten-/Nutzenabwägung ist die Anlage Marienthal entbehrlich. Der
Bundesinnenminister hat daher vorgeschlagen, den Ausweichsitz im Ahrtal zu schließen. Diesem Votum hat sich das Bundeskabinett angeschlossen und den
Bundesinnenminister beauftragt, die anderen Verfassungsorgane über dieses Ergebnis zu unterrichten und das weitere Verfahren zu erörtern.
http://www.bzs.bund.de/bsmag/inh198.htm
Junge Welt 07.07.1998:
http://www.jungewelt.de/1998/07-07/013.htm
Champignons im Regierungsbunker
Großanlage unter Weinbergen in der Eifel soll verkauft werden
Die Bundesrepublik Deutschland veräußert den ehemaligen Ausweichsitz der Verfassungsorgane des Bundes.« Hinter der harmlosen Anzeige steckt ein ungewöhnlicher Vorgang: Seit Mitte Juni sucht das Bundesvermögensamt in Koblenz Käufer für den bislang geheimen Regierungsbunker im Ahrtal. Aus dem Atombunker, der zwischen 1960 und 1972 in Marienthal unter den Weinbergen der Eifel gebaut wurde, sollte die Regierung im Kriegsfall die Geschicke der Bundesrepublik lenken. Seit Ende des Ost-West-Konflikts und wegen des näherrückenden Regierungsumzugs nach Berlin wurde der Sinn des Bunkers zunehmend in Frage gestellt. Am 9. Dezember vergangenen Jahres kam das Ende für den Ausweichsitz: Das Bundeskabinett beschloß den Verkauf. Durch den geplanten Verkauf gelangen die bisher strikt gehüteten Daten des Bunkers erstmals an die Öffentlichkeit. In einem 21seitigen Exposé finden Interessierte alle wichtigen Einzelheiten zu dem in Deutschland einmaligen Bauwerk, das aus einer zweigeteilten Tunnelanlage mit Nebenstollen besteht. In dem Bunker mit einer Fläche von 83 000 Quadratmetern befinden sich unter anderem Büroräume und Unterkünfte für bis zu 3 000 Menschen. Der Haupttunnel ist zweigeschossig und hat einen Durchmesser von sieben bis acht Metern. Das Bauwerk verfügt unter anderem über eigene Brunnen sowie Zisternen, fünf Küchen für jeweils 600 Menschen und natürlich über digitale und analoge Telefonanschlüsse. Die Anlage, deren Kernstück ein alter Eisenbahntunnel ist, kann von der Außenwelt hermetisch abgeschlossen werden. Nach der Veröffentlichung der Anzeige in vier regionalen und überregionalen Zeitungen sowie im Internet meldeten sich bislang mehr als 40 Privatleute und Gesellschaften und forderten das Exposé an, wie der Regierungsdirektor im Koblenzer Bundesvermögensamt, Thomas Hofmann, berichtet. Ein konkretes Angebot liege allerdings noch nicht vor. Noch bis zum 15. September können die Interessenten ihr Angebot einreichen. Zuvor sollen sie aber die Gelegenheit bekommen, den bisher nicht für die Öffentlichkeit zugänglichen Bunker mit eigenen Augen zu sehen. Ein Eigenheim werde schließlich auch erst nach der Besichtigung gekauft, sagt Hofmann. Mindestens einen Tag werden die Interessenten in den insgesamt 19 Kilometer langen Gängen unterwegs sein. Hofmann hat noch keine genauen Vorstellungen über die künftigen Besitzer der Anlage. »Wir sind für alles offen.« Möglich sei die Nutzung für wissenschaftliche Einrichtungen. Aber auch für den Tourismus sei die Anlage geeignet. »Warum nicht«, meint Hofmann auch zu einem Vorschlag des Innenexperten der Bündnisgrünen, Manfred Such. Dieser hatte eine Champignonzucht in der Anlage unter den Weinbergen angeregt. Nur seien die 19 Kilometer langen Tunnel damit sicher nicht ausgelastet, vermutet der Regierungsdirektor. Der Regierungsbunker hatte wegen seiner Ausstattung die Kritiker immer wieder zum Spott gereizt. Die Anlage habe nicht einmal den Standard einer Jugendherberge, merkte Such einmal süffisant an. Die Interessenten dürften nicht auf eine Plüschausstattung hoffen, sagt Hofmann. Denn die Einrichtung sei eben »wie bei der Bundeswehr«. Allerdings sind die Unterhaltskosten für das Bauwerk nicht gerade gering. Dem Exposé zufolge betragen allein die jährlichen Kosten für Strom, Wasser, Klimatechnik, Bauunterhalt und die technische Anlage 1,6 Millionen Mark. Der Käufer muß zudem die Sanierungskosten übernehmen. Nach Angaben des Bonner Innenministeriums hätte die Renovierung der Anlage - allerdings als Regierungsbunker - mindestens 93 Millionen Mark gekostet und zehn Jahre Bauarbeiten erfordert. Dafür haben die Käufer aber eine gute Verkehrsanbindung. Laut Exposé sind es zur Autobahn A 61 nur zehn Kilometer, zum Flughafen Köln-Bonn 50 Kilometer - und ein eigener Hubschrauberlandeplatz ist gar vor Ort.
Sylke Michaelis (AFP)
IHK-Koblenz Journal:
05 1998
Ideen-Offensive für Regierungsbunker
Ausschreibung zur zivilen Nutzung der Anlage in Marienthal
Der Landrat des Kreises Ahrweiler, Joachim Weiler, hat jüngst zu einer „Ideen-Offensive“ für den Regierungsbunker Marienthal bei Dernau im Ahrtal aufgerufen.
Bei dem Bunker, der im Krisenfall als Ausweichsitz für die Bundesregierung und andere Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland gedient hätte, handelt es sich um ein riesiges unterirdisches Areal, für das eine Nachfolgenutzung gesucht wird.
Mit einer breitangelegten Ideen- und Informationsoffensive will Landrat Joachim Weiler die weitere Nutzung des von der Schließung bedrohten Regierungsbunkers Marienthal vorantreiben. In einem Schreiben an die Spitzen von Industrie, Handwerk, Forschung und Fremdenverkehr in der Region fragt Weiler nach Möglichkeiten, wie die Dienststelle Marienthal künftig genutzt werden könne.
Im Interesse der Arbeitsplätze soll der Bund ein sozialverträgliches Konzept vorlegen. Dabei richtet Weiler den Blick nicht allein auf die im Bunker beschäftigten 200 Arbeitnehmer, deren Arbeitsplätze in der Übergangsphase gesichert werden müßten. Auch die Arbeitgeber, sprich Handwerksbetriebe und mittelständische Unternehmen, die seit Jahren Reparatur- und Wartungsaufträge erhalten, stellen für den Landrat einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor im Kreis Ahrweiler dar.
Weiler hält die Ideen-Offensive für „unbedingt notwendig“. Der AW-Landrat setzt sich ein für „die ernsthafte Prüfung einer touristischen, gewerblichen oder wissenschaftlichen Nutzung“ dieser „in ganz Deutschland einmaligen Anlage“. Gefragt seien „verschiedene, vielfältige Ideen – auch unkonventioneller Art“.
Mit den zuständigen Bundesbehörden bestehen bereits enge Kontakte. So traf sich Landrat Weiler kürzlich im Bunker mit Oberfinanzpräsident Konrad Laube und Finanzpräsident Dr. Klaus Peter Grommes von der Oberfinanzdirektion Koblenz, deren Bundesvermögensabteilung für die Verwertung der Anlage verantwortlich ist. Bei diesem Treffen wurde die nachhaltige Bereitschaft des Bundes deutlich, gemeinsam mit dem Kreis nach jeder denkbaren Lösung zu suchen, den Bunker einer sinnvollen und umfassenden zivilen Anschlußnutzung zuzuführen. Der Bund werde sich der Verantwortung nicht entziehen, die ihm aus der Schließung der Bunkeranlage erwächst.
Das weitere Prozedere in Bonn, so Weiler: Es handelt sich um einen „Ausweichsitz“ der Verfassungsorgane. Sobald die Zustimmung all dieser Verfassungsorgane vorliegt – was derzeit noch nicht vollständig geschehen ist –, werden die Oberfinanzdirektion und das Bundesvermögensamt Koblenz auf der Grundlage entsprechender Konzepte, die das Bundesbauministerium derzeit erstellt, die Bunkeranlage öffentlich zur zivilen Anschlußnutzung ausschreiben.
Unterdessen betonte Weiler nochmals, daß er die Schließung der Einrichtung in Marienthal für falsch hält. Auch andere vergleichbare Staaten wie die USA und europäische Nachbarländer hielten solche Anlagen für unverzichtbar.
5/1998 |
Kreis Ahrweiler Online:
19.03.1998
http://www.kreis.aw-online.de/PAR/1998/1998_03_19.10.htm
Landrat startet Ideen-Offensive für Bunker Marienthal
Mit einer breitangelegten Ideen- und Informationsoffensive will Landrat Joachim Weiler die weitere Nutzung des von der Schließung bedrohten Regierungsbunkers Marienthal vorantreiben. In einem Schreiben an die Spitzen von Industrie, Handwerk, Forschung und Fremdenverkehr in der Region fragt Weiler nach Möglichkeiten, wie die Dienststelle Marienthal künftig genutzt werden könne.
Im Interesse der Arbeitsplätze soll der Bund ein sozialverträgliches Konzept vorlegen. Dabei richtet Weiler den Blick nicht allein auf die im Bunker beschäftigten 200 Arbeitnehmer, deren Arbeitsplätze in der Übergangsphase gesichert werden müßten. Auch die Arbeitgeber, sprich Handwerksbetrieb und mittelständische Unternehmen, die seit Jahren Reparatur- und Wartungsaufträge erhalten, stellen für den Landrat einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor im Kreis Ahrweiler dar.
Weiler hält die Ideen-Offensive für "unbedingt notwendig". Der AW-Landrat setzt sich ein für "die ernsthafte Prüfung einer touristischen, gewerblichen oder wissenschaftlichen Nutzung" dieser "in ganz Deutschland einmaligen Anlage". Gefragt seien "verschiedene, vielfältige Ideen - auch unkonventioneller Art".
Mit den zuständigen Bundesbehörden bestehen bereits enge Kontakte. So traf sich Landrat Weiler vor wenigen Tagen im Bunker mit Oberfinanzpräsident Konrad Laube und Finanzpräsident Dr. Klaus Peter Grommes von der Oberfinanzdirektion Koblenz, deren Bundesvermögensabteilung für die Verwertung der Anlage verantwortlich ist. Bei diesem Treffen wurde die nachhaltige Bereitschaft des Bundes deutlich, gemeinsam mit dem Kreis nach jeder denkbaren Lösung zu suchen, den Bunker einer sinnvollen und umfassenden zivilen Anschlußnutzung zuzuführen. Der Bund werde sich der Verantwortung nicht entziehen, die ihm aus der Schließung der Bunkeranlage erwächst.
Das weitere Prozedere in Bonn: Es handelt sich um einen "Ausweichsitz" der Verfassungsorgane. Sobald die Zustimmung all dieser Verfassungsorgane vorliegt - was derzeit noch nicht vollständig geschehen ist -, werden die Oberfinanzdirektion und das Bundesvermögensamt Koblenz auf der Grundlage entsprechender Konzepte, die das Bundesbauministerium derzeit erstellt, die Bunkeranlage öffentlich zur zivilen Anschlußnutzung ausschreiben.
Unterdessen betonte Weiler nochmals, daß er die Schließung der Einrichtung in Marienthal für falsch hält. Auch andere vergleichbare Staaten wie die USA und europäische Nachbarländer hielten solche Anlagen für unverzichtbar.
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Das Schreiben Weilers ging unter anderem an Hans-Jürgen Podzun (Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Koblenz), Karl-Jürgen Wilbert (Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Koblenz), Prof. Dr. Rüdiger Jung (Fachhochschule Koblenz), Prof. Dr. Hubert Severin (Rektor der Fachhochschule Rhein-Sieg), Prof. Dr.-Ing. Klaus Borchard (Rektor der Rheinischen-Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn), Prof. Dr. Carl-Friedrich Gethmann (Direktor der Europäischen Akademie zur Erforschung von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen in Bad Neuenahr-Ahrweiler), Prof. Dr. Dennis Tsichritzis (Geschäftsführer des GMD-Forschungszentrums Informationstechnik GmbH in St. Augustin), Dipl.-Volkswirt Adolf Meinung (Hauptgeschäftsführer des Fremdenverkehrs- und Heilbäderverbandes Rheinland-Pfalz in Koblenz), Dr. Jürgen Reifahrth (Stiftung des Forschungszentrums CAESAR - Center of Advanced European Studies and Research - in Bonn) sowie an Dr. Detlev Kirsten, Geschäftsführer des TTIB Region Bonn GmbH & Co KG in Bonn (Technologietransfer- und Innovationszentrum Bonn).
© Kreisverwaltung Ahrweiler - 19.03.1998
Kreis Ahrweiler Online:
8.1.1998
http://www.kreis.aw-online.de/PAR/1998/1998_01_08.9.htm
.........."Zuversichtlich" äußert sich Weiler über den Radweg zwischen Altenahr und Rech , dessen erster Bauabschnitt im ersten Halbjahr '98 in Angriff genommen werden soll - für Weiler ein weiterer Mosaikstein im "Fahrradland Kreis Ahrweiler", das auch durch den Raderlebnistag im Frühsommer belebt werde. Definitiv sei eine andere Baumaßnahme: Das Großprojekt Ortsumgehung Altenahr werde am 14. Mai freigegeben. Beim "Bunker" Marienthal , den die Bundesregierung mittelfristig schließen will, gelte es ein Konzept für die weitere Nutzung zu entwickeln und einen Ausgleich für Arbeitsplätze und Aufträge für die heimische Wirtschaft zu schaffen. Hier stehe der Bund nach wie vor in der Verantwortung.......
Kreis Ahrweiler Online:
12.12.1997
Haushaltsrede von Landrat Joachim Weiler zum Haushaltsentwurf 1998 in der Kreistagssitzung am 12. Dezember 1997
Sehr geehrter Herren Kreisbeigeordnete,
sehr geehrte Herren Fraktionsvorsitzenden;
sehr geehrte Kreistagsmitglieder,
sehr geehrte Vertreter der Presse,
verehrte Zuhörer,
meine sehr verehrten Damen, sehr geehrte Herren,
die Haushaltsrede, die der Kämmerer Dr. Ludger Sander vor dem Rat der Stadt Bonn hielt, umfaßte sage und schreibe 43 Seiten. Und auch zum Ihnen vorgelegten Entwurf des Haushaltsplanes 1998 für den Kreis Ahrweiler könnte ich sicherlich einiges sagen. Allerdings ist die Haushaltsrede die wichtigste Rede, die ein Landrat im Jahreslauf halten kann. Und dabei kann es nicht das Ziel sein, alle Zahlen des Haushaltes zu erläutern. Das leistet der Vorbericht zum Haushaltsplan viel besser, da die wichtigsten Zahlen dort beispielsweise durch Grafiken anschaulich dargestellt sind. Erlauben Sie mir deshalb vielmehr, mich auf wichtige Grundgedanken zu beschränken, in denen sich die übergeordneten Ziele des Kreises und die wichtigsten Entwicklungen im Kreis widerspiegeln:
Ein Jahr vor dem Umzug
Meine Damen und Herren, mit dem Haushaltsjahr 1998 stehen wir ein Jahr vor dem Umzug von Bundestag und Bundesregierung nach Berlin. Das wird auch für den Kreis Ahrweiler ein markanter und einschneidender Wendepunkt sein. Einen erneuten Vorgeschmack hat uns hier die am Dienstag getroffene Entscheidung der Bundesregierung geliefert, den Bunker Marienthal zu schließen. Nach dem eklatanten Wortbruch des Bundesrates und sonstigen kleineren Randerscheinungen ist dies eine weitere Entscheidung, die uns und der gesamten Region Bonn die Folgen des Umzugsbeschlusses schmerzlich vor Augen führt. Die Zukunft von rund 200 Mitarbeitern der Anlage steht jetzt in den Sternen. Ob wir es wahrhaben wollen oder nicht, es wird nun immer klarer, daß sich die Prioritäten des Bundes verschieben. Wie sonst ist es zu erklären, daß der Bund „mit zweierlei Maß mißt", um Herrn Sebastian zu zitieren. Denn in der Region Bonn spart der Bund in der Tat an allen Ecken und Enden, während für das Einhalten des Umzugstermines nichts zu teuer ist. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber bei mir bleibt da irgendwie ein fader Nachgeschmack zurück.
Aber, trotz fadem Nachgeschmack: der Umzug ist ein Wendepunkt, auf den wir uns vorbereitet haben. Denn durch einen erfolgreichen Bonn-Berlin-Ausgleich haben wir uns auf den uns aufgezwungenen Strukturwandel eingestellt und nach dem Grundsatz „Stärke Deine Stärken" Vorsorge getroffen und mit kräftiger finanzieller Hilfe des Bundes unsere Hausaufgaben gemacht. An Projekten von zentraler Bedeutung sind das aus Sicht des Kreises Ahrweiler: die Fachhochschule in Remagen, das Technologiezentrum Sinzig, der Gewerbepark Grafschaft, die neu geschaffenen Gewerbegebiete im Kreis sowie eine agile Strukturförderungsgesellschaft Bonn/Rhein-Sieg/Ahrweiler. Es sind aber auch die Ansiedlung der Europäischen Akademie für Technologiefolgeabschätzung sowie die noch kommende Ansiedlung der Forschungsvereinigung der Arzneimittelhersteller. All das wird unser Kapital für die Zukunft sein, das sich aber nicht im Vermögenshaushalt des Haushaltsplanes ausweisen läßt. Für den Bereich der Verbandsgemeinde Brohltal gehört dazu allerdings auch das Projekt „Vulkanpark", das vom Kreis mitgetragen wird. Mit Blick auf den Westteil des Kreises möchte ich das rege Engagement am Nürburgring nennen.
» Unser Beitrag: die Gesundheits- und Fitneßregion
Wir können beim Bonn-Berlin-Ausgleich jedoch nicht nur nach außen, auf andere sehen, wir müssen auch selber etwas leisten. Wir brauchen eigene Anstrengungen. Lassen Sie mich deshalb noch einen weiteren wichtigen Aspekt in diesem Zusammenhang nennen: In seiner berühmten „Berliner Rede" vom April dieses Jahres stellte Bundespräsident Roman Herzog fest, daß unsere Gesellschaft wieder eine Vision brauche. Eine Vision sei, so der Bundespräsident weiter, „eine Strategie des Handelns". Genau das ist, bezogen auf unseren Kreis Ahrweiler, die Idee, ja die Vision der Gesundheits- und Fitneßregion. Gerade auch vor dem Hintergrund der Bäderkrise soll sie für den Kreis Ahrweiler der gemeinsame Nenner sein, in den sich jeder eingebunden fühlen kann und eingebunden ist. Aber Gefahr droht auch hier. Dazu möchte ich nochmals den Bundespräsidenten zitieren, der in seiner Rede ebenfalls festgestellt hat, daß sich die Deutschen in „Angstszenarien" gefallen würden. Und weiter: „Kaum eine neue Entdeckung, bei der nicht zuerst nach den Risiken und Gefahren, keineswegs aber nach den Chancen gefragt wird". Gerade die Chancen aber sind es, nach denen wir greifen müssen, der Kreis und die politischen Parteien an erster Stelle. Dem im Haushaltsplan eingesetzten Betrag zur Finanzierung der Koordinationsstelle „Gesundheits- und Fitneßregion" kommt insofern eine hohe Signalfunktion zu. Gleiches gilt für die Zuschüsse zur Strukturförderungsgesellschaft und zur Tourismusförderung. Hier wird es in Zukunft darum gehen, Kurs zu halten, auch wenn das Schiff einmal in schwere
See gerät. Denn gerade im Tourismus werden von allen Beteiligten in Zukunft noch erhebliche Anstrengungen notwendig sein.
Zwei vor Zweitausend
Meine Damen und Herren, mit dem Haushaltsjahr 1998 stehen wir zudem zwei Jahre vor der Jahrtausendwende. Obwohl dann sicherlich nicht von heute auf morgen die Welt auf dem Kopf stehen wird, markiert dieser markante Jahreswechsel in einem gewissen Sinne den Beginn einer neuen Zeit, die man mit möglichst geordneten Verhältnissen beginnen möchte. Unterschiedliche Sichtweisen setzen da unterschiedliche Prioritäten. Aus Sicht der Finanzwirtschaft ist der Kreis Ahrweiler - in Anbetracht der gesamtwirtschaftlichen und konjunkturellen Situation - da auf einem guten Weg.
» Haushalt der Vernunft
Trotz einer sehr schwierigen finanziellen Lage haben wir es auch im Haushaltsjahr 1998 aus eigener Kraft erneut geschafft, uns Gestaltungsspielraum zu bewahren. Denn im Gegensatz zu anderen Kreisen bleibt es uns erspart, an der Leine eines Haushaltssicherungskonzeptes laufen zu müssen. So kann ich Ihnen nach 1996 und 1997 wiederum einen in Einnahmen und ausgeglichenen Haushaltsplan vorlegen, den ich als „Haushalt der Vernunft" bezeichnen möchte. Der Haushalt ist eine gelungene Gratwanderung zwischen der notwendigen Finanzierung wichtiger und zukunftsweisender Projekte einerseits und absoluter Ausgabendisziplin andererseits. Dieses Minimalziel konnten wir nur unter Zurückstellung vieler Wünsche und einer absoluten Orientierung am Machbaren erreichen. Denn der eiserne Grundsatz, nur das auszugeben, was man in der Kasse hat, gilt für Landräte, Bürgermeister, Beigeordnete und Ratsmitglieder ebenso wie für den Privatmann. Beim Ansetzen des Rotstiftes galt hier das Dichterwort von Theodor Fontane: „Man muß lernen, mit dem Gegebenen zufrieden zu sein, und nicht immer das verlangen, was gerade fehlt."
Entscheidenden Anteil an dem Gesamtergebnis haben eine zurückhaltende Personalpolitik, erhebliche Anstrengungen, um den Sozialhilfebereich in den Griff zu bekommen, Kostenreduzierungen im öffentlichen Personennahverkehr und auf der Einnahmeseite schließlich eine Steigerung der Schlüsselzuweisungen.
» Bildung: Investitionen in die Zukunft
Alle Zufriedenheit über einen ausgeglichenen Haushalt darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß wir nicht in der Lage sind, unsere laufenden Ausgaben mit laufenden Einnahmen zu finanzieren. Denn auch im kommenden Jahr wird im Vermögenshaushalt eine Netto-Neuverschuldung von rund 4 Millionen Mark notwendig sein. Dabei habe ich jedoch ein reines Gewissen, denn wie in den Vorjahren wird auch der Vermögenshaushalt 1998 von Investitionen für unsere Schulen bestimmt. Insgesamt beläuft sich die hier bereitzustellende Summe auf nahezu 6 Millionen Mark - das sind 32 Prozent des gesamten Investitionsvolumens.
Durch die augenblicklichen Studenten- und Schülerproteste sehe ich unser Festhalten am Neubau des Peter-Joerres-Gymnasiums mit Gesamtkosten von 25 Millionen Mark bestätigt. Denn Investitionen in die Bildung sind Investitionen in die Zukunft. „Bildung muß das Mega-Thema unserer Gesellschaft werden" - das hat Bundespräsident Herzog ebenfalls in seiner Berliner Rede gesagt. Für den Kreis Ahrweiler bestehen da - mit der Einweihung der mit Bundesmitteln finanzierten Fachhochschule und des Peter-Joerres-Gymnasiums im nächsten Jahr - gute Perspektiven. Es wäre in diesem Zusammenhang sicherlich gut gewesen, wenn das Land uns einen höheren Zuschuß für das Peter-Joerres gezahlt hätte. Aber in der Bildungspolitik legt das Land bekanntlich eine restriktive Linie an den Tag, deren negative Folgen sich jetzt in den Protesten zeigen.
» Der Kreis als Ausfallbürge
Das Land macht uns durch seine Politik das Leben generell nicht einfacher. Ich will hier nicht ins Detail gehen, gleichwohl aber feststellen, daß es am Ende die Kreise sind, die Leistungskürzungen des Landes bei den Elternbeiträgen in Kindergärten, beim Asylbewerberleistungsgesetz und in der Schülerbeförderung, sozusagen als „Ausfallbürge", finanziell ausbaden müssen. Vor diesem Hintergrund begrüße ich eine vor wenigen Wochen getroffene Entscheidung des Niedersächsischen Staatsgerichtshofes. Darin verpflichtet der Gerichtshof das Land, künftig die Kosten der den Kommunen zugewiesenen staatlichen Aufgaben genau zu ermitteln und im Gesetz festzulegen, welchen Anteil daran das Land zu übernehmen hat. Genau diese Art von Gesetzesfolgeabschätzung kommt leider auch hier bei uns in Rheinland-Pfalz zu kurz.
Ungemach kommt ebenfalls von anderen Seiten, wenn ich hier an den Rückzug des Bistums aus der Kindergartenfinanzierung denke. Aber auch die Kommunen schränken die Finanzierung von örtlichen Aufgaben immer weiter ein und rufen nach dem Kreis. Dazu möchte ich deutlich feststellen, daß der damit überfordert sein wird. Andererseits weiß ich natürlich, daß die Kommunen mit dem Kreis im selben Boot sitzen und gleiche Probleme haben. Aber angesichts der Finanznot der Kommunen frage ich mich auch, warum vom Innenminister als Interessenvertreter der Kommunen weit und breit nichts mehr zu sehen ist.
» Einnahmen aus der Kreisumlage sinken
Beim Stichwort „Kommunen" muß auch das Stichwort „Kreisumlage" fallen. Die Steuerkraft der Kommunen sinkt, obgleich die Gemeinden des Kreises Ahrweiler hier im Landesvergleich noch vergleichsweise günstig abschneiden. Dennoch bedeutet die verminderte Steuerkraft bei einem gleichbleibenden Hebesatz der Kreisumlage von 34,5 vom Hundert einen Einnahmeausfall von 500.000 Mark. Bezieht man die Reduzierung der Steuerkraft im Vorjahr mit ein, so fehlen aufgrund dieser Entwicklung gegenüber dem Haushaltsjahr 1996 rund 1,6 Millionen Mark in unserer Kasse. Dennoch war es mir getreu dem Sprichwort „Was du nicht willst was man dir tut, das füg’ auch keinem andern zu!" wichtig, Ihnen keine Erhöhung des Hebesatzes vorzuschlagen, sondern den Haushaltsausgleich durch Einsparungen zu erreichen.
» Haushaltskonsolidierung zeigt Wirkung
Für die Belastung des Kreishaushaltes hat weiterhin der Bereich der Sozial- und Jugendhilfe die größten Auswirkungen. Wir haben uns dazu in den vorhergehenden Tagesordnungspunkten mit sehr wichtigen Einzelfragen befaßt und auch unsere Bemühungen aufgezeigt, um der bisher als unaufhaltsam angesehenen Entwicklung entgegenzuwirken. Hier wird deutlich, daß mit Phantasie und Engagement - als Stichworte nenne ich beispielhaft „Arbeit statt Sozialhilfe" und Kleiderkammer - auch im gesetzlich vorgeschriebenen Leistungsbereich Gestaltungsmöglichkeiten bestehen. Wenn Sie sich die Grafik auf Seite 17 des Vorberichtes ansehen, wird erkennbar, daß sich die seit 1989 zu verzeichnenden gewaltigen Belastungsschübe ab 1995 deutlich abgeschwächt haben.
Drei Jahre vor dem Euro
Meine Damen und Herren, mit dem Ende des zukünftigen Haushaltsjahres 1998 stehen wir schließlich drei Jahre vor dem 1. Januar 2002, dem Zeitpunkt, an dem der Euro als Zahlungsmittel tatsächlich eingeführt wird. Mit dem Festlegen des Wechselkurses wird es den Euro jedoch de facto schon im kommenden Mai geben. Erste Anzeichen finden sich jetzt schon auf den neuen Überweisungsvordrucken der Banken, die schon ein Feld für Zahlungen in „Euro" vorsehen. Am Montagabend berichtete die ARD auch von einer Münchener Gelddruckerei, die bereits erste Druckfahnen des Euro in einem hochsicheren Tresor aufbewahrt und Gewehr bei Fuß steht, um die Druckpressen rotieren zu lassen.
In der Kreisverwaltung selbst habe ich eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die alle notwendigen Maßnahmen vorbereiten und koordinieren soll.
Der Euro ist also eine Realität, die in kleinen und nachvollziehbaren Schritten umgesetzt wird.
» Die Verwaltung modernisiert sich
Kleine und besonnene Schritte sind übrigens oft das beste Mittel, wenn man einen langen Weg zurückzulegen möchte. Das sieht auch die Verwaltung so, die sich beispielsweise selbst ein Leitbild gegeben und neue bürgerfreundliche Öffnungszeiten, mit dem durchgehend geöffneten Donnerstag als dem „Tag des Bürgers", eingeführt hat. Der nächste Schritt auf dem Weg der Verwaltungsmodernisierung wird ein Bürgerbüro sein, mit dem wir den Bürgerinnen und Bürgern ein schneller und unkomplizierter Ansprechpartner sein möchten.
Erste Schritte finden sich auch in dem Haushaltsansatz von 50.000 DM, der für das Erstellen eines neuen Kreisentwicklungsprogrammes vorgesehen ist. Das Kreisentwicklungsprogramm soll die Richtschnur für den Weg des Kreises Ahrweiler in die Zukunft sein.
Meine Damen und Herren, mit diesem „Haushalt der Vernunft" werden wir die Zukunft anpacken. Das wird angesichts der schwierigen finanziellen Situation nicht einfach werden. Aber es besteht auch kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Lassen Sie mich zum Schluß nochmals die Berliner Rede des Bundespräsidenten zitieren: „Wir müssen jetzt an die Arbeit gehen. Ich rufe auf zu mehr Selbstverantwortung. Ich setze auf erneuerten Mut. Und ich vertraue auf unsere Gestaltungskraft. Glauben wir wieder an uns selber. Die besten Jahre liegen noch vor uns."
© Kreisverwaltung Ahrweiler - 12.12.1997
Deutsche Friedensgesellschaft-
Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen
(DFG-VK)
http://www.dfg-vk.de/bundeswehr/ver32.htm11.12.1997:
Pilze im Regierungs-Bunker?
Bonn wird atombombensichere Schutz-Anlage zu teuer
Bonn - Der Atom-Bunker der Regierung an der malerischen Ahr zwischen Dernau und Ahrweiler gehörte zu den bestgehüteten Geheimnissen der Bundesrepublik. Damit ist es vorbei. Jetzt lautet die große Frage: Was anfangen mit der Anlage?
Wie könnte das Überbleibsel des kalten Krieges nach einem Verzicht des Kabinetts auf die Anlage 312 Meter unter den Weinbergen künftig genutzt werden? Vielleicht sollten in dem Bunkerlabyrinth Champignons gezüchtet oder Wein gelagert werden. Auch könnte ein Hotelkomplex "zum Gruseln" eingerichtet werden.
An diesem Dienstag sollen die Würfel endgültig fallen: Das Bundeskabinett dürfte aller Voraussicht nach die Schließung des Betonklotzes anordnen. Den zuständigen Bundesinnenminister Manfred Kanther dürften die horrenden Unterhaltskosten schrecken: Für den Weiterbetrieb des Betonklotzes wären in den nächsten Jahren rund 200 Millionen Mark erforderlich. Daran hatte bereits der Bundesrechnungshof Anstoß genommen.
Teuer war der Bunker vom ersten Tag an: Weit über fünf Milliarden Mark hat der 30 Kilometer umfassende Tunnelbereich seinerzeit gekostet. Etwa 20 Kilometer Luftlinie vom Bonner Regierungsviertel entfernt sollten bei einem Atomangriff des Ostens in dem Ahrbunker über 3000 "ausgesuchte" Personen untergebracht werden. Es gab einen eigenen mit allen technischen Raffinessen ausgerüsteten Kabinettsraum. Natürlich waren zum NatoHauptquartier nach Belgien und in alle westlichen Metropolen abhörsichere Funksowie Fernsprechverbindungen und ein Telekommunikationssystem im Wert von rund 100 Millionen Mark installiert.
Im Frühjahr 1991 hatte die westliche Allianz endgültig auf "Schreibtischmanöver" ohne Beteiligung von Truppen verzichtet. Bei dem "Krieg per Computer und Bildschirm" wurde im Ahrbunker der Dritte Weltkrieg im Detail geprobt. Das Übungsgeschehen lief stets von der Öffentlichkeit unbemerkt ab. Alle Personen, die an den Übungen teilnahmen, mußten zuvor eine Verpflichtungserklärung unterschreiben, selbst der Ehefrau oder dem Ehemann niemals etwas von dem Geschehen unter Tage zu berichten. Zwei Wochen lang waren alle Übungsteilnehmer "eingesperrt". Nicht selten kam es bei den Beteiligten zu schlimmen Nervenzusammenbrüchen.
Kreis Ahrweiler Online:
11.12.1997
Bunker Marienthal
Weiler: Bund bleibt in der Verantwortung
Trotz der Entscheidung, den Bunker Marienthal mittelfristig zu schließen, steht die Bundesregierung nach wie vor in der Verantwortung gegenüber der Region. Wie der Landrat des Kreises Ahrweiler, Joachim Weiler, in einer ersten Stellungnahme betonte, muß die Regierung jetzt vorrangig ein Konzept entwickeln, mit dem Entlassungen verhindert werden.
Weiler sieht die Bundesregierung auch in der Verantwortung für eine Nachfolgenutzung. So müsse das Innenministerium im Rahmen dieser "Konversion" Vorschläge für eine spätere Nutzung erarbeiten. Zudem fordert Weiler Ersatz für die rund 200 Arbeitsplätze sowie die zahlreichen Wartungs- und Reparaturaufträge für heimische Handwerksbetriebe.
Weiler, der sich in dieser Angelegenheit noch vor wenigen Tagen an den Bundesminister für besondere Aufgaben, Friedrich Bohl, gewandt hatte, kündigte an, auch weiterhin im engen Kontakt zur Bundesregierung zu bleiben.
Unverständlich ist die Schließung nach Ansicht Weilers, weil die Einrichtung in Marienthal, im Volksmund "Bunker" genannt, als Notsitz für alle Verfassungsorgane gedacht sei. Auch andere vergleichbare Staaten wie europäische Nachbarländer und die USA hielten solche Einrichtungen für unverzichtbar, betonte Weiler.
© Kreisverwaltung Ahrweiler - 11.12.1997
Berliner Morgenpost
10. Dezember 1997
Regierungsbunker unter Weinbergen
Der atombombensichere Bunker der Bundesregierung an der malerischen Ahr südlich von Bonn gehörte zu den bestgehüteten Geheimnissen der Bundesrepublik. Von 1961 an wurde an dem Gebäude zehn Jahre gearbeitet. Weit über fünf Milliarden Mark hat der 30 Kilometer umfassende Tunnelbereich - versteckt unter Weinbergen - seinerzeit gekostet.
Etwa 20 Kilometer Luftlinie vom Bonner Regierungsviertel entfernt sollten bei einem Atomangriff des Ostens in dem Ahrbunker über 3000 "ausgesuchte" Personen untergebracht werden. Es gab einen mit allen technischen Raffinessen ausgerüsteten Kabinettsraum.
Seit 1971 wurde alle zwei Jahre die Bunkerübung "Wintex/Cimex" veranstaltet. Ein Übungskabinett überprüfte mit den anderen Nato-Partnern von den USA bis zur Türkei alle Vorkehrungen, die für eine Krise vorbereitet worden waren.
Alle Teilnehmer mußten eine Verpflichtungserklärung unterschreiben, selbst der Ehefrau oder dem Ehemann niemals etwas von dem Geschehen unter Tage zu berichten. Zwei Wochen lang waren alle Übungsteilnehmer "eingesperrt".
Die letzte größere Militärübung war "Wintex 1989". Seitdem ist der Bunker quasi stillgelegt. Wie die Fluchtburg am Rande der Eifel weiter genutzt werden soll, ist bislang noch unklar. Bei einer Brandschutzprüfung fielen im September dieses Jahres erhebliche Mängel auf. Eine Instandsetzung des unzuverlässigen Bunkers für den Ernstfall wird mit 177 Millionen Mark veranschlagt. Auch verschlingt die Riesenanlage jährlich zehn Millionen Mark Betriebskosten. Ob am neuen Regierungssitz Berlin ein einzurichtender Atombunker die Funktion des alten übernimmt, steht noch nicht fest.
Berliner Morgenpost
10.12.1997
Bundesregierung gibt Atombunker auf
Bonn - Der aus den 60er Jahren stammende atombombensichere Bunker der Bundesregierung in Marienthal an der Ahr wird aus Kostengründen geschlossen. Dies beschloß das Bundeskabinett. Ob am neuen Regierungssitz ein Berlin ein ähnlicher Bunker eingerichtet wird, steht noch nicht fest. Wie die alte Anlage weiter genutzt wird, ist ebenfalls unklar. Für die noch im Bunker tätigen Bundesbediensteten soll nach anderen Stellen gesucht werden.
Berliner Kurier 08.12.1997
http://www.BerlinOnline.de/wissen/berliner_kurier/archiv/1997/1208/politik/0154/index.html
Aus für Regierungsbunker?
Nachrichten
BONN - Innenminister Manfred Kanther (CDU) ist für die Stillegung des Atombunkers der Regierung, der für rund 200 Millionen Mark saniert werden müßte. Morgen befaßt sich das Kabinett damit.
Bayrischer Rundfunk 6.Dez.1997 15:00
http://www.br-online.de/news/aktuell/971206/152002.html#4
06.12.1997
Atom-Bunker der Regierung soll offenbar verkauft werden
Bonn: Bundesinneminister Kanther will offenbar den Atom-Bunker der Bundesregierung in der Nähe Bonns aufgeben. Nach Informationen der Zeitung "Bild am Sonntag" würde eine Renovierung des Bunkers 200 Millionen Mark kosten, was der Bundesrechnungshof als nicht nachvollziehbar bezeichnet habe. Der Bunker ist in den sechziger Jahren im Ahrtal gebaut worden. Bewachung und Instandhaltung kosten jedes Jahr Millionen-Beträge.
(Quelle: BR-Radionachrichten )
Berliner Zeitung
http://www.berlinonline.de/wissen/berliner_zeitung/archiv/1997/1122/politik/0196/index.html
Datum: | 22.11.1997 |
Ressort: | Politik |
Autor: | - |
Regierungsbunker in der Eifel wird aufgegeben
Der Bund wird voraussichtlich den atombombensicheren Regierungsbunker in der Eifel aufgeben. Das ließ der zuständige Berichterstatter im Haushaltsausschuß, Herbert Frankenhauser (CSU), erkennen. "Als Sitz für die Verfassungsorgane im Krisenfall wird der Bunker in Marienthal mit Sicherheit nicht erhalten", sagte er der Berliner Zeitung. Was mit dem Bunkersystem geschehen soll, ist noch unklar. Ein Gutachten hatte "massive Brandschutzmängel" festgestellt und eine Sanierung nahegelegt. Für die Dienststelle Marienthal sieht der Bundeshaushalt für 1998 knapp 21,5 Millionen Mark vor.
SPD-Rheinland-Pfalz-Online
http://spd-rlp.de/lverband/presse/arch97/296.htm
1997
Petra Elsner:
Bundesregierung soll Nutzungsplan für Regierungsbunker
vorlegen / Rheinland-pfälzische CDU handelt scheinheilig
Mit heftiger Kritik hat die SPD-Landtagsabgeordnete Petra Elsner
auf die vom Bundeskabinett beschlossene Schließung des
"Regierungsbunkers" im Ahrtal reagiert. Sie warf der CDU-geführten
Bundesregierung vor, sich keinerlei Gedanken über die
Auswirkungen der Schließung auf die Beschäftigten und auf die
Region zu machen. Sie lasse die rund 200 betroffenen
Beschäftigten und die Region im Regen stehen. Die SPD-Politikerin
wies darauf hin, daß sie Gespräche mit den
Arbeitnehmervertreterinnen und -vertretern führen werde, um die
Konsequenzen der Schließung im Detail zu erörtern.
In diesem Zusammenhang warf Elsner dem rheinland-pfälzischen
CDU-Fraktionsvorsitzenden ein scheinheiliges Spiel vor. Während er
auf der einen Seite lauthals die Situation auf dem Nürburgring
schlecht rede, schweige er zu der von seinen Parteifreunden in
Bonn zu verantwortenden Situation im Ahrtal konsequent.
Berliner Kurier
Datum: | 27.11.1996 |
Ressort: | - |
Autor: | - |
Irrsinn! Bunker Ausbau kostet 200 Millionen
BONN - Jetzt soll der Rotstift auch an unsinnige Bonner Plänen angesetzt werden: Die FDP forderte gestern in einer Koalitionsrunde mit Kanzler Helmut Kohl (CDU), 200 Millionen Mark für Renovierung und Ausbau des Regierungsbunkers zu stoppen. Generalsekretär Guido Westerwelle: "Es ist vollkommen absurd, den Bunker für eine Regierung auszubauen, die bald nach Berlin umzieht." Im Haushalt des nächsten Jahres sind dafür allein 25 Millionen Mark eingeplant. Im Laufe von 10 Jahren soll die "Dienststelle Marienthal" ausgebaut werden, in der im Kriegsfall ein Notparlament (22 Abgeordnete) Unterschlupf findet. Unter den Rotweinhängen am Trotzenberg bei Bad Neuenahr (20 Kilometer südlich Bonns) liegt das 1913 als Eisenbahntunnel begonnene Betonmonstrum. 1944 ließ Hitler die Röhre, deren tiefster Punkt 312 Meter unter der Erde liegt, von 2000 Fremdarbeitern erweitern und auf 11 000 QuadratmeternV-2 -Raketen montieren. Von 1961 bis 70 gab der Bund fünf Milliarden Mark für die nun 30 Kilometer langen Stollen aus. Seit einer NA- TO-Übung 1987 steht das teuerste Bauwerk Deutschlands leer, wird aber für mehr als 10 Millionen Mark im Jahr von 100 Zivilbediensteten in Schuß gehalten. Bereits am 8. Mai 1994 (!) hatte der damalige Chef des Haushaltsausschusses Rudi Walther (SPD) gefordert: " Der Bunker muß eingemottet werden." Die Zustimmung des Bundestags ist jetzt noch offen, da sich einige CDU-Politiker noch sperren. Liberale und Opposition sind für die Streichung der Bunker-Gelder. Innenausschuß-Chef Willfried Penner (SPD): "Ein Regierungsbunker gehört nach Berlin ."
Berliner Zeitung 28.10.1996
Bunker soll renoviert werden
Hamburg. Trotz des geplanten Berlin-Umzugs will Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) nach Informationen der "Bild am Sonntag" den geheimen Regierungsbunker in der Eifel für knapp 177 Millionen Mark renovieren lassen. Die Mittel habe der zuständige Unterausschuß des Bundestages bereits genehmigt. Die Arbeiten an dem Bunker bei Bad Neuenahr seien auf zehn Jahre veranschlagt und würden damit noch andauern, wenn die Bundesregierung längst in Berlin sei. +++
German News So, 27.10.1996 18:00 MEZ
http://www.mathematik.uni-ulm.de/germnews/1996/10/271800.html#7
Kanther will Regierungsbunker renovieren lassen
Bonn. Bundesinnenminister Kanther will nach Informationen der Bild am Sonntag den geheimen Regierungsbunker in der Eifel renovieren lassen. Die dafuer
notwendigen Mittel von knapp 177 Millionen DM habe der zustaendige Ausschuss des Bundestages bereits genehmigt. Die Arbeiten an dem Bunker seien auf
zehn Jahre veranschlagt. SPD und FDP haben mit Kritik auf Kanthers Vorhaben reagiert. Der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses Penner, SPD,
sagte, ein Regierungsbunker gehoere in die Naehe der Regierung. Und die sitze ja demnaechst in Berlin.
Berliner Zeitung
http://www.berlinonline.de/wissen/berliner_zeitung/archiv/1996/0529/politik/0048/index.html
Datum: | 29.05.1996 |
Ressort: | Politik |
Autor: | Dietmar Seher, Bonn |
DDR-Bunker bleiben ungenutzt:
Parlament und Regierung suchen nach Berlinumzug neuen Schutzraum
Bundesregierung und Bundestag wollen auch nach dem Umzug an die Spree einen atombombensicheren Kommandobunker für den Notfall haben. DDR-Bunker im Raum Berlin werden aber nicht genutzt.
Die Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage des Grünen-Abgeordneten Manfred Such, die der Berliner Zeitung vorliegt, bestätigt die Pläne: "Die Überlegungen der Verfassungsorgane des Bundes über einen gemeinsamen Ausweichsitz" seien zwar "noch nicht abgeschlossen", schreibt Innenstaatssekretär Eduard Lintner (CSU) in dem Brief an Such. Aber: "Die Prüfung von Anlagen im Raum Berlin hat ergeben, daß diese Anlagen nicht als Ausweichsitz in Betracht gezogen werden können".
Damit ist klar, daß die ehemaligen Regierungsbunker der DDR in Prenden/Barnim, Wiesenthal/Ruhlsdorf, Harnekop/Brandenburg und Marienwerder nicht reaktiviert werden, wenn Regierung und Bundestag nach Berlin ziehen. Ein entsprechender Vorschlag des Bundesrechnungshofes, den dieser aus Kostengründen gemacht hatte, wird vom Bundesinnenministerium abgelehnt.
Offenbar sind die DDR-Relikte zum Teil geflutet und der als ZK-Bunker gedachte Bau bei Harnekop juristisch so "wasserdicht" an einen privaten Betreiber verpachtet, daß der Bund bei Eigenbedarf kein Kündigungsrecht hat, wie Such inzwischen herausfand. Offiziell wird in Bonn über die künftigen Bunker-Pläne geschwiegen. Das Innenministerium gibt keine weitere Stellungnahme ab. Zwar wird in Parlamentskreisen auch die teure "Option Neubau" nicht völlig ausgeschlossen. Aus den zugänglichen Informationen ergibt sich aber, daß eher alles auf einen Um- und Ausbau des bestehenden West-Regierungsbunkers im Ahrtal rund 20 Kilometer von Bonn entfernt hinausläuft.
Hier liegt, getarnt als "Dienststelle Marienthal", unter Weinbergen ein 30 Kilometer großes Tunnelnetz mit allen erforderlichen Einrichtungen. Bewachung, Unterhalt wie auch eine mögliche Renovierung dieses Bauwerks, das seit dem Mauerfall nicht mehr benutzt worden ist, sind jedoch ausgesprochen kostspielig, jährlich rund 28 Millionen Mark. Im letzten Jahr gab es Berichte, daß der Atombunker für rund 200 Millionen Mark auf den neuesten Stand gebracht und zur Unterbringung des im Grundgesetz vorgesehenen, nach der Wiedervereinigung größer gewordenen Notparlaments ausgeweitet werden sollte - insgesamt auf eine Kapazität für 2 000 Personen. Dagegen haben Haushaltspolitiker der Koalition wie der Opposition allerdings inzwischen massive Bedenken geltend gemacht. +++
Deutscher Bundestag: Plenarprotokoll 13/67 vom 08.11.1995
http://www.rezzo.de/download/13-wp/13-67.html
Debattenbeitrag zum Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplanes für das Haushaltsjahr
1996
Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer: Es spricht jetzt der Abgeordnete
Rezzo Schlauch.
Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Meine Damen
und Herren! Getreu Murphys Gesetz kam bei diesen Haushaltsberatungen
fast alles anders, als es geplant war. Mit Waigelscher Ignoranz und
Selbtgefälligkeit haben Sie beschlossen, das Haushaltsloch einfach
weiter vor sich herzuschieben.
(Erwin Marschewski [CDU/CSU]: Wen meinen Sie?)
-- Sie zum Beispiel; Sie schieben ja mit vor sich her. -- Aber denken
Sie daran: Wer anderen ein Haushaltsloch gräbt, der fällt --
möglicherweise bald -- selbst hinein.
(Zustimmung beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -- Hans Georg Wagner [SPD]: Die
sind schon drin!)
Nicht einmal da, Herr Kollege Marschewski, wo Sie mit uns zusammen und
mit Ihren Kollegen im Innenausschuß der Ansicht waren, daß man sparen
könnte, wo sich das Sparen geradezu aufgedrängt hätte, nämlich beim
Regierungsbunker in Marienthal, sind Sie zu Einschnitten bereit gewesen.
Streichen Sie diese 16 Millionen DM im Innenetat. Sie, Herr Kanther,
haben sich, so glaube ich, politisch und mental doch schon so
eingebunkert, daß dieser Regierungsbunker völlig überflüssig ist.
(Manfred Such [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der ist total zugebunkert! -- Dr.
Wolfgang Weng [Gerlingen] [F.D.P.]: Der ist doch geheim, den gibt es
nicht!)..................
Rhein-Zeitung Koblenz 20.09.1995:
http://rhein-zeitung.de/on/95/09/20/topnews/rplnews.html
Über Bunker reden
BONN. DPA. Über eine Renovierung des Regierungsbunkers an der Ahr soll laut Kanzleramtsminister Friedrich Bohl (CDU) nur im Einvernehmen mit dem Parlament entschieden werden.
Innenminister Manfred Kanther (CDU) sei beauftragt worden, den Ausweichsitz von Regierung und Parlament für Katastrophen- und Kriegsfälle angesichts der enormen Finanzmittel, die seinerzeit aufgebracht worden seien, vorerst funktionsfähig zu halten.
Berliner Kurier
18.09.1995
http://www.BerlinOnline.de/wissen/berliner_kurier/archiv/1997/1208/politik/0154/index.html
Bonn will Regierungsbunker für 200 Millionen Mark renovieren
Vier Jahre vorm Umzug
BONN - Da kann sich der Steuerzahler nur noch wundern: Innenminister Manfred Kanther (CDU) will für 200 Millionen Mark den stillgelegten Atombunker der Bundiesregierung bei Bonn wieder in Betrieb nehmen - fünf Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges und vier Iahre vor dem Regierungsumzug nach Berlin. Die geheime "Dienststelle Marienthal" bei Bad Neuenahr, 20 Kilometer vor Bonn, wurde nach dem Krieg für fünf Milliarden Mark gebaut. In den insggsamt 30 Kilometer langen Stollen, die mehr als 300 Meter in die Weinberge getrieben wurden, spielten Politiker und Militärs den Atomkrieg durch. Im März 1989 war damit Schluß. Geht es nach Kanther, sollen noch im laufenden Jahr 14,5 Millionen Mark für die Renovierung und 11 Millionen für Wach- und Wartungspersonal ausgegeben werden. In den nächsten 10 Jahren folgen dann 176,9 Millionen Mark für die "Herstellung und Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit". Kritik gab's schon vom Bundesrechnungshof: "Zu teuer. Man sollte statt dessen einen
DDR-Bunker bei Berlin übernehmen." Am 10. Oktober stehen die Pläne auf der Tagesordnung des Bundestags-Haushaltsausschusses. Sein Vorsitzender Helmut Wieczorek (SPD): "Der Bunker paßt nicht mehr in die Zeit. Man sollte ihn schließen. " Finanzausschuß-Chef Carl-Ludwig Thiele (FDP): "Diese Investitionen sind so überflüssig wie die unmoralischen Atombomben-Tests." Ein Sprecher des Innenministeriums behauptete dagegen: "Bundesrat und Bundestag wollen an dem Bunker festhalten."
Berliner Zeitung 16.07.1994
Umzug in den Bunker
Wer die Bundesstadt auf der B 9 in südlicher Richtung verläßt und dann ins weinberggerahmte enge Ahrtal abbiegt, kann nach ein paar Autominuten rechts eine zurückversetzte große Betonwand bewundern, hinter der es steil bergauf geht. Irgendwie paßt das Ding nicht in diese Rotwein- Landschaft.
Doch hinter der Wand, die in Wirklichkeit ein Tor ist, erstreckt sich ein erstaunliches Innenleben. Kilometerlange Gänge führen quer durch die Ahrberge bis fast an die Stadtgrenze Bonns. Feldbetten und moderne Telefonanlagen gibt es hier, stählerne Zwischentüren und vor allem ein großes Schweigen. Denn das Tunnelsystem liegt verlassen da.
Der geheime Regierungsbunker der Bundesrepublik Deutschland, der im Ernstfall Notregierung und Notparlament aufnehmen soll, ist seit fünf Jahren nicht einmal mehr für Übungen benutzt worden. Der Ostblock hat aufgegeben, und für "out-of-area"-Einsätze ist die Anlage zugegebenermaßen etwas falsch plaziert. Gegen wen will man sich hier schützen?
Der Unterhalt des Bunkers, dessen Karriere zur Kaiserzeit als Eisenbahntunnel begann, später Hitlers V 2-Raketen beherbergte, ist nicht billig und erreicht zweistellige Millionensummen im Jahr - immerhin wird er ständig bewacht. Deswegen ist hinter den Bonner Kulissen ein Streit entbrannt, was mit dem Monstrum passieren soll. Sozialdemokratische Abgeordnete plädieren dafür, die Anlage auf Champignonzucht umzurüsten.
Die Bundesregierung macht es der Anlage gleich - sie schweigt. Nur der SPD-Fraktionsgeschäftsführer Struck hat in einem Zeitungsinterview gesagt, er wolle den Bunker als Kommandozentrale für alle denk- und undenkbaren Fälle erhalten. In Berlin gebe es eben so eine Sache nicht, und sie an der Spree neu aufzubauen, verteuere nur den Umzug enorm.
Ein Trostpflaster also für alle umzugsverschreckten Beamten: Wenn's brenzlig wird, zieht die Regierung sowieso wieder an den Rhein (bzw. einen seiner Nebenflüsse) um +++
Berliner Zeitung 9.5.1994
http://www.berlinonline.de/wissen/berliner_zeitung/archiv/1994/0509/innenpolitik/0116/index.html
09.05.1994
Bundesregierung soll alten Atombunker einmotten
Verlegung der Krisenzentrale nach Berlin gefordert
Bonn. dpa
Die Stillegung des geheimen Atombunkers der Bundesregierung an der Ahr haben Politiker von SPD und CDU gefordert. Als Gründe nannten sie die geänderte weltpolitische Lage und den Regierungsumzug von Bonn nach Berlin.
"Der Regierungsbunker macht keinen Sinn mehr, weil es keinen Feind mehr gibt, vor dem man sich darin schützen muß", erklärte Rudi Walther (SPD), Vorsitzender des Bundestags-Haushaltsausschusses, der "Welt am Sonntag". "Ich schlage vor: Der Bunker wird eingemottet. Das spart jedes Jahr Millionen."
Daß der Bunker weiter intakt gehalten wird, kritisierte Dieter Lau, Vizepräsident des Bundes der Steuerzahler, als "ein typisches Beispiel für die Gedankenlosigkeit und Unbeweglichkeit von öffentlichen Verwaltungen". Die Aufgabe des Bunkers an der Ahr fordert auch der CDU-Verteidigungsexperte Peter Kurt Würzbach - allerdings weniger aus Sparsamkeit: "Ein Regierungsbunker ist unverzichtbar. Aber er gehört logischerweise in die Nähe der Regierung, also demnächst nach Berlin. Die Bundesregierung sollte untersuchen lassen, welche von der DDR genutzten Bunker dafür verwendet werden können."
Der deutsche Regierungsbunker zwischen Dernau und Ahrweiler, rund 20 Kilometer vom Bonner Regierungsviertel entfernt, war in den sechziger Jahren für gut fünf Milliarden Mark angelegt worden. +++
Rote Fahne, Zentralorgan der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), 8 Jg. / Nr. 39 v. 28.9.1977
28.09.1977Bericht aus Kalkar
Polizeilager im Garten eines Hauses an der Rheinstr. zwischen Kalkar und Hoennepel
Schon Freitag Nacht setzten die Übergriffe, Schikanen und Kontrollen überall da ein, wo sich AKW-Gegener versammelten, um gemeinsam mit Bus oder Pkw nach Kalkar zu fahren. So z. B. in Köln, Münster, Hamburg usw. Als wir in Köln auf die Autobahn in Richtung Krefeld fuhren, tauchten nach wenigen hundert Metern die ersten Polizeistreifen auf. Bis Kalkar wiederholte sich das dutzende Male, nahezu auf jedem Parkplatz waren massive Polizeikontrollen aufgebaut.
In Neuß riegelte die Polizei die Autobahnauffahrt in Richtung Norden vollständig ab. Nahezu jedes Auto wurde kontrolliert. Lastwagenfahrer wurden mit vorgehaltener Maschinenpistole zum Anhalten gezwungen. Sie protestierten empört, wei1 sie durch die schikanösen Kontrollen mit Lieferverzug rechnen mußten. Mitglieder unserer Redaktion, die auf dem Weg zu der Polizeisperre waren, um dort zu fotografieren, wurden von einer Polizeistreife aufgehalten. Ihre Forderung nach ungehinderter Pressearbeit quittierte ein gewisser Polizeihauptkammissar Bredtmann mit der frechen Bemerkung: "Wir wollen nur wissen, wer für uns und wer gegen uns arbeitet."
Am Ende der Autobahn in Moers die nächste große Kontrolle. Hier waren die uniformierten Polizei- und Bundesgrenzschutztruppen durch Zivile massiv verstärkt worden. Es handelte sich um Schüler der Polizeischule in Hiltrup bei Münster, die "Einsatzerfahrungen" machen sollten. Bei den dort durchgeführten Beschlagnahmungen wurde klar, was von den "Waffen" zu halten ist, mit denen AKW-Gegner nach Kalkar fuhren und die die bürgerliche Presse schon seit Tagen in den schwärzesten Farben ausgemalt hatte. Dünne, einen Meter "lange" Bambusstöcke, Benzinkanister, Wasserbehälter, Wagenheber und andere Gegenstände wurden von Maschinenpistolenbewaffneten Polizisten eingesammelt.
Vor Xanten war die B 57 hermetisch abgeriegelt. Doch die Polizei erreichte auch dadurch nicht ihr Ziel, alle, die nach Kalkar wol1ten und dort vorbeikamen, zu durchsuchen. AKW-Gegner fuhren einfach hinter Einheimischen her, die auch keine Lust hatten, sich den Schikanen zu unterziehen, und die Polizeisperre auf Nebenstraßen umgingen.
Ein ROTE FAHNE-Redakteur schildert, wie er die Sperre bei Marienbaum, nicht weit vor Kalkar, umging: "Wie fahren wir am beßten weiter nach Kalkar, fragten wir, als wir die die letzte Sperre vermeiden wollten und deshalb von der Bundesstraße 57 abgezweigt waren. Ein älterer Mann beschrieb uns bereitwillig den kürzesten Weg und dann augenzwinkernd einen etwas längeren über Feldwege. Seine Bcfürchtung traf jedoch zu, daß man auch dabei noch auf Polizei stößt. Rund drei Kilometer weiter war tatsächlich die schmale Teerstraße durch die Wiesen von einem wahren Heerlager von feldmarschmäßig gerüsteter Polizei gesperrt. Nach einer halbstündigen Durchsuchung konnten wir weiterfahren. Als wir nach einiger Zeit anhielten, weil wir nicht mehr weiter wußten und fragten, beschrieb uns ein junger Mann die Weiterfahrt. Auf unsere Frage, ob es vielleicht noch einen Weg ohne Kontrolle gibt, meinte er etwas ungehalten: "So einen Weg beschreibe ich Ihnen doch gerade." Dieses kleine Erlebnis bei der Anfahrt im Einsatzgebiet, wo laut bürgerlicher Presse die Bevölkerung vor dem 24.9. zitterte, widerlegt die Lügen über das Einverständnis der Einheimischen mit dem Schnellen Brüter und den Polizeimaßnahmen."
Bezeichnenderweise wurden Busse mit DKP-Leuten an den Sperren und bei den Durchsuchungen bevorzugt behandelt. Teilweise brauchten sie nur ihre DKP-Flugblätter vorzuzeigen, und schon wurden sie ohne Kontrolle durchgelassen.
Trotz der umfassenden Sperr und Durchsuchungsmanöver des staatlichen Gewaltapparates sammelten sich im Laufe des Vormittags immer mehr Menschen auf dem schönen alten Marktplatz in Kalkar. Angesichts der üblen Schikanen und dem empörenden Vorgehen des Bundesgrenzschutzes an den Grenzübergängen wurden besonders die eintreffenden AKW-Gegner aus Holland, Belgien, Frankreich und Dänemark mit großer Begeisterung von den bereits Anwesenden begrüßt.
Überall auf dem Marktplatz drehten sich die Gespräche um den Polizeiterror, überall wurde Empörung laut. "Die Hamburger sind insgesamt neunmal gefilzt worden", rief jemand über den Platz. Geparkte Autos waren von der Polizei aufgebrochen worden, weil sie darin "Waffen" vermutet hatte. Einzelne Gegenstände waren dabei, gegen "Quittung", von den Polizisten entwendet worden.
Ein Bewohner von Kalkar erzählte: "Aufgrund der Kontrollen bin ich erst heute morgen um 5 Uhr nach Hause gekommen. Ich war auf einer Silberhochzeit: Anf einer Strecke von drei Kilometern wurde ich dreimal angehalten und mein Wagen kontrolliert."
Ein Apotheker trat den Presselügen entgegen. Er war empört darüber, daß die Presse schrieb, die Bevölkerung in Kalkar igle sich ein, man fürchte die Demonstration, nagle alles zu, usw. usf. Er sagte, daß der Juwelier und der Antiquitätenhändler die.einzigen sind, die zu einer solchen Maßnahme gegriffen haben. Er stellte wei ter fest, daß sich in den letzten Tagen angesichts der Übergriffe von Polizei und Bundesgrenzschutz die Anti-Demonstrations-Haltung bei vielen Kalkarer Geschäftsleuten in eine Anti-Polizei-Haltung gewandelt hat. Das unglaublich freche Auftreten der Polizei der Bevölkerung gegenüber hat viel dazu beigetragen.
Ein Lehrer schi1derte die Situation in Niedermörmter, einem kleinen Dorf in der Nähe. Auch dort fiel in den letzten Tagen der Unterricht aus. In der Schule wurden 400 Polizisten aus Unna einquartiert. Sie beha.ndelten die Bevölkerung arrogant, kontrollierten die Bewohner des Dorfes, beschlagnahmten Scheunen, um dort weitere Polizisten einzuquartieren. Überall riegelten sie die Wege ab, legten Verhaue aus! NATO-Draht an und stellten Hamburger Reiter auf. Selbst die Bewohner des Dorfes wurden nicht, mehr durchgelassen und mußten Umwege machen. Immer wieder wurde durchsucht. Der Sohn des Lehrers konnte nicht zur Fahrprüfung, weil er einfach nicht aus dem Dorf rauskam.
"Wie Dreck haben uns die Polizisten behandelt. Sie benehmen sich, als wenn sie die Macht im Staat übernommen hätten", macht er seiner Empörung Luft.
Auch unter den Bewohnern aus Kalkar, die auf dem Marktplatz mit den bereits Versammelten und den Ankommenden diskutieren, ist keiner, ,der sich für den "Schnellen Brüter" stark macht. Ein Rentner, etwa 60 Jahre alt:
"Wenn wirklich hier das Kraftwerk in Betrieb kommt und es wird dort eine Bombe reingeworfen - ob die jetzt hier eine Atombombe werfen oder sie schmeißen den "Schnellen Brüter" mit einer Sprengbpmbe kaputt - für uns ist das gleich, dann gehen wir sowieso alle drauf. Vor fünf Jahren, als der Bau begonnen wurde, hat man uns überhaupt nicht erzählt, was dort eigentlich geplant ist. Die da oben an der Regierung sitzen, die haben gut reden. Ein Atombunker z. B. für die Bevölkerung von Kalkar, das wäre bestimmt nicht teurer, als die Sicherheitsvorkehrungen für den ,Brüter'. Aber es ist doch so, die großen Herren, für die ist Schutz da; die haben Bunker in der Eifel. Aber für den kleinen Mann, da ist nichts. Und wer im letzten Krieg gewesen ist, der kann sich ein Bild davon machen, was da auf uns zukommt."
Ein älterer Ma.nn trat der Lüge entgegen, daß die Lichter ausgehen, wenn keine Atomkraftwerke mehr gebaut werden:
"Ich kenn mich zufällig in Voerde aus, dort ist ein Kohlekraftwerk. Ein Bekannter, der dort arbeitet, sagte mir, daß dort nur mit halber Kraft gearbeitet wird. Als ich ihn nach den Gründen fragte;. sagte er, daß man dort nicht weiß, wohin mit dem Strom. Also einerseits können sie nur mit halber Kraft arbeiten, weil sie Stromüberschuß haben. Auf der anderen Seite wollen sie Kernkraftwerke bauen, die für die Bevölkerung eine Gefährdung sind."
Auf der Sitzung der, Vertrauensleute der Bürgerinitiativen am frühem Nachmittag wurden witere Übergriffe von Poizei und Bndesgrezschutz bekannt. Ein holländischer Vertrauensmann berichtet, daß insgesamt 50 holländische Busse festgehalten worden sind. Anschließend gab die Demonstrationsleitung bekannt, daß um 16 Uhr die große Demonstration aller versammelten AKW-Gegner zur Wiese des Bauer Maas gegenüber dem Bauplatz des "Schnellen Brüters" beginnen soll.
Nach der Vertrauensleutesitzung schilderte ein holländischer Journalist empört die Brutalität bei den Busüberprüfungen auf der B 57 vor Kalkar. Die Polizisten schreckten dort vor Prügeleien, Schlägen und Tritten in die Geschlechtsorgane nicht zurück. Als der Journalist sich dort weigerte, nach wenigen Aufnahmen das Fotografieren einzustellen, wurde er von Polizisten weggeprügelt.
An der Straße von Kalkar nach Hoennepel, am Ortsausgang von Kalkar, waren Würstchenbuden und andere Verkaufsstände aufgebaut, die von Mittag an regen Zuspruch hatten. In Richtung Hoennepel waren die Seitenstraßen, die von der Hauptstraße in Rcihtung zum Baiuplatz des "Schnellen Brüters" führen, von Polizei und Bundesgrenzschutz abgeriegelt. Häuser, die direkt daneben liegen, waren rücksichtslos in die Absperrungen miteinbezogen worden. NATÍ'O-Draht umsäumte die Vorgärten; auf den Gartenwegen standen Schützenpanzer der Polizei. Immer wieder sammelten sich vor diesen Häusern große Diskussionsgruppen. Ein alter Bauer, hinter dessen Haus sich eine Hunndertschaft Polizei mit Panzer- und Mannschaftswagen breitgemacht hatte, wurde nicht müde, mit Bewohnern aus Kalkar, die sich die Polizeisperren ansahen, und mit Demonstranten zu sprechen. Er fand kein Wort für den "Schnellen Brüter"; aber viele dagegen. "Die Polizei habe ich nicbt gerufen", sagte er.
Auf dem Weg zum Bauplatz
Sehließlich setzte sich die Demonstration der 50.000 in Bewegung. An der Spitze wurde ein großes Transparent getragen, in den ersten Reihen marschierte die demokratisch gewählte Demonstrationsleitung. Selbst als die Spitze des Zuges den Dorfeingang von Hoennepel erreichte, hatte das Ende Kalkar immer noch nicht verlassen.
Hundert Meter vor Hoennepel sollte sich entscheiden, ob die 50.000 ihr Recht auf eine Kundgebung direkt ann Bauplatz durchsetzen konnten. Bis hier hatten Hirsch und die Polizeiführung der Demonstration "Legalität" zugestehen müssen. Schon bevor die Spitze diesen Punkt erreichte, wurde mit Megaphonansagen aus tieffliegenden Hubschraubern versucht, die Demonstranten einzuschüchtern und sie so aufzuhalten. Die Demonstration kam an diesem Punkt für zehn Minuten zum Stocken. Doch nach einer kurzen Beratung gab die Demonstrationsleitung ihre Entscheidung bekannt, die den Willen der 50.000 aus drückte: "Wir werden jetzt ruhig und langsam auf diesem Weg weiter vorgehen, nach links." Und das war der Weg zum Bauplatz!
Die paar hundert DKP-Anhänger, die nach rechts gingen, isolierten sich hoffnungslos. In Hoennepel selbst standen viele Dorf bewohner an der Straße, freuten sich über die große Menge der Demonstranten und äußerten sich anerkennend über die disziplinierte Demonstration. Ein RF-Redakteur berichtete:
"Während die Demonstration also schon ,illegal' durch Hoennepel zog, hätte sich doch endlich ,die Angst vor den Demonstranten bei der Bevölkerung zeigen müssen. Das gerade Gegenteil war der Fall. Die Bewohner, denen wochenlang ihre ´Gefährung´ eingehämmert worden war, standen vor den Häusern, Zurufe aus der Demonstration wurden lachend beantwortet. Ich sprach mit einer Bauersfrau, die mit ihrem kleinen Kind auf dem Arm inmitten der ganzen Familie und Nachbarn stand. Sie ließ heinen Zweifel an ihrer Sympathie für die Demonstration: ,Wir waren immer für die Demonstration; die sollen zur Wiese gehen, das muß sein . . . das geht ja völlig in Ordnung.'. Und dann zeigte sie auf die mit Helmen und Schutztüchern bewehrten Ordnerketten: ,Sehen Sie sich diese strammen Jungs an, die sorgen für Ordnung. Wir (das betonte sie) brauchen die Polizei nicht'. Nach ein paar Minuten verabschiedete ich mich und fragte sie, .ob ich ein Foto von ihr machen dürfte. Sie lachte und sagte: ,Ja, von mir aus. Ich stehe zu dem, was ich gesagt habe!'"
Schließlich erreichte die Spitze des Zuges das Feld des Bauern Maas. Gegenüber hatten die Bürgerkriegstruppen den "Brüter" in eine schwerbewachte Festung verwandelt. Doch die Demonstranten ließen sich nicht provozieren. Sie hatten mutig und kämpferisch ihr Ziel, die Kundgebung am Bauplatz, erreicht. Und diese Kundge bung war schon lange beendet; als immer noch Demonstranten auf den Platz strömten.
http://www.dasan.de/medien/texte/11_zeitungen/11-045.htm
18.04.1957
Die Atom-Rüstung soll sich nicht ausbreiten
Das Ergebnis des Gesprächs zwischen Kanzler und Professoren
Bonn (Eig. Ber., dpa, up) - Die Bundesregierung will in den kommenden 24 Monaten versuchen, durch ein Übereinkommen aller Mächte eine weitere Ausrüstung mit Atomwaffen sowohl in Ost als auch in West zu verhindern. Darauf haben sich gestern der Bundeskanzler und fünf der 18 Professoren, die den Göttinger Appell unterschrieben hatten, nach fünfstündigen Beratungen im Amtssitz des Kanzlers geeinigt. Ein Kommuniqué stellt ferner fest, daß die Bundesrepublik nach wie vor keine eigenen Atomwaffen produzieren wird. Der allgemein erwartete gemeinsame Abrüstungsappell an die Weltmächte blieb jedoch aus.
In der gemeinsamen Verlautbarung heißt es unter anderem wörtlich:
"Die Bundesregierung teilt die Besorgnis, die in der genannten Erklärung (gemeint ist der Göttinger Appell. d. Red.) zum Ausdruck kommen. Sie stimmt mit den Motiven und Zielen der Wissenschaftler überein und empfindet volles Verständnis für die Verantwortung, die die Atomwissenschaftler für die Entwicklung in einer Welt der Spannung zwischen Ost und West in sich fühlen.
Der Bundeskanzler und die Wissenschaftler glauben, daß es notwendig ist, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln auf die Regierungen in Ost und West einzuwirken, um zu einem Abkommen über eine allgemeine kontrollierte Abrüstung zu gelangen, die den Menschen auf der ganzen Welt die Furcht vor einem Atomkrieg nehmen könnte. Sie sind sich der furchtbaren Gefahr bewußt, die durch die Entwicklung der Atomwaffe über die Menschheit gebracht wurde, und sind gewillt, jeder ehrlichen Anstrengung, diese Gefahr zu bannen, volle Mitarbeit zu gewähren. Die Bundesregierung wird ihre Anstrengungen darauf richten, durch ein Abkommen zwischen allen Mächten eine generelle atomare Bewaffnung der sich in Ost und West gegenüberstehenden Armeen zu vermeiden.
Die Atomforscher, die an der Besprechung teilgenommen haben, wünschen zum Ausdruck zu bringen, daß es nicht ihr Hauptziel war, nur die Bundesrepublik aus einem allgemeinen Verhängnis herauszuhalten, sondern sie wollten eine Initiative zur Abwehr dieses die Welt bedrohenden Verderbens ergreifen. Sie waren der Meinung, in dem Staate beginnen zu müssen, dessen Bürger sie sind. Der Bundeskanzler sprach den Wunsch aus, in diesen Fragen mit Vertretern der Wissenschaft in Verbindung zu bleiben und sie über die Entwicklung auf den genannten Gebieten sowie über die Entwicklung der internationalen Lage auf dem laufenden zu halten. Die Vertreter der Wissenschaft begrüßten den vom Bundeskanzler ausgesprochenen Wunsch."
Bundespressechef von Eckardt erklärte über das Kommuniqué hinaus zu den Verhandlungen, daß in den nächsten 18 bis 24 Monaten eine effektive Ausrüstung der Bundeswehr mit taktischen Atomwaffen nicht akut sei. Wenn sich aber die NATO entschließen müßte, ihre
Truppen mit taktischen Atomwaffen auszurüsten, sei es nicht möglich, daß ein wichtiger Partner dabei ausgelassen wird. Die Bundesregierung befände sich dann in einer Lage, die innerhalb der NATO neu geprüft werden müsse. Man solle daher die nächsten zwei Jahre nutzen, "damit diese Frage nicht auf uns zukommt."
Der Bundespressechef teilte ferner mit, Professor Hahn habe zum Ausdruck gebracht, daß alle seine Kollegen, die den Göttinger Appell unterzeichnet haben, dem Kommuniqué zustimmen könnten. "Ob das aber im Effekt der Fall sein wird", fügte Eckardt hinzu, "konnte Professor Hahn nicht garantieren."
Die Bundesregierung will den Atomphysikern ihr Material über die neuen amerikanischen Vorhaben zum Schutz der Bevölkerung vor Atomwaffen zustellen. Bei der Besprechung selbst sind die Unterschiede zwischen einer taktischen Atomgranate und der Hiroshima-Bombe klargestellt worden. Danach soll die Atomgranate am Treffpunkt die gleiche Wirkung haben, aber keinen weiteren Umkreis an Sprengkraft und Radioaktivität. Die Atomforscher ihrerseits wollen von sich aus demnächst mit Erklärungen über den Schutz der Zivilbevölkerung hervortreten.
Zum möglichen Schutz vor Atomwaffen erklärte Professor Heisenberg, der an den Bonner Verhandlungen wegen Erkrankung nicht teilnahm, ein solcher Schutz sei für den einzelnen möglich, wenn er einen unter der Erde gelegenen atombombensicheren Bunker besitze, der mit Sauerstoffgeräten versehen ist und Lebensmittel- und Wasservorräte aufweist. Es sei jedoch undenkbar, für die Mehrheit der Bevölkerung einen solchen ausreichenden Schutz zu beschaffen. Man könne unsere Städte nicht innerhalb einer Viertelstunde evakuieren.
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